©Thea Nivea
Thea Nivea Glosse
Thea Nivea
Hi, ich bin Thea Nivea. Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de
Oh, fragt mein Vater, ist denn schon wieder Weihnachten? So langsam gehts los, sagt meine Mutter und schleppt die Weihnachtsdeko durch den Flur, als hätte sie nie etwas anderes getan. Wir haben, sagt sie, immer noch keinen Tannenbaum, geschweige denn Plätzchen gebacken, alles andere ist euch ja offenbar wichtiger. Ist es tatsächlich, sagt mein Vater, aber gut, was kann ich tun? Die Lichterkette entwirren, sagt meine Mutter. Ich mach das besser, sag ich, im Gegensatz zu Papa kann ich das, ohne mir ein Loch in den Finger zu schneiden. Haha, sagt mein Vater, Weihnachten naht und schon scheints euch egal zu sein, was gerade in Deutschland und der Welt kaputt ist. Mir nicht, sag ich, weil die Ampel kaputt ist, gilt jetzt rechts vor links. Man muss das Elend verdrängen, sagt meine Mutter, wie soll man sonst aushalten, was mit Trump und seinem absurden Gruselkabinett auf uns zukommt. Mal ehrlich, Papa, sag ich, hast du wirklich Bock auf Wahlkampf für die SPD? Frag mich das nächstes Weihnachten noch mal, sagt mein Vater, wenn wir unseren nationalen Frust nicht mehr mit Glühwein löschen müssen, weils dann darum geht, was in Darmstadt wirklich wichtig ist. Ich muss nicht, sag ich, wie du den OB persönlich kennen, um zu wissen, dass es auch in Darmstadt genug Gründe gibt, sich in die Glühweinseligkeit zu begeben. Genau, sagt meine Mutter, Darmstadt ist, seit Benz OB ist, beim Niveau-Ranking von 72 deutschen Großstädten aus den Top Ten geflogen und belegt nur noch Platz zwölf, das ist fünf Plätze schlechter als als Partsch noch OB war. Der OB, fragt mein Vater, hat wohl auch zu verantworten, dass im Haushalt 2024 35 Mio. fehlen und 2025 und 2026 je 100? Logisch, sagt meine Mutter. Also, sag ich, weil es hier auch nicht besser ist, gehen wir jetzt zusammen Glühwein trinken und besorgen uns danach nen Weihnachtsbaum. Und was ist mit deiner Glosse, fragt meine Mutter, die musst du doch heute noch abgeben? Die schreibt diesmal meine KI, sag ich, die hab ich mit den letzten elf Glossen gefüttert und ihr gesagt, sie soll was Passendes für Dezember machen. Also, sagt meine Mutter, dann mal los. Wie viel fehlt dir noch, fragt mein Vater. Knapp 2.000 Zeichen, sag ich, ab jetzt. Ich frag mich gerade, sagt meine Mutter, ob der Weihnachtsmarkt als Zufluchtsort genug ist, um uns von all dem abzulenken. Wie viele Veranstaltungen, frag ich unterwegs, sind auf dem Weihnachtsmarkt und wie viele davon interessieren uns tatsächlich? Ich meine, sagt mein Vater, die Glühweinprinzessin ist ja vielleicht eine nette Figur, aber was bleibt nach ihrer Krönung zur Weihnachtsmarktgröße? Mehr Bäume, sagt meine Mutter, und weniger Lichter. Oder, frag ich, gar ein Klima-Notfallplan? Wisst ihr, sagt meine Mutter und schaut in die Glühweintasse, was ich mir für Weihnachten wünsche? Dass endlich mal die Diskussion um den Klimawandel ernst genommen wird und nicht nur die um Geschenke und den nächsten Glühwein. Prost, Mama, sag ich und nicke. Das wäre, sagt mein Vater, mal ein Ansatz, die Weihnachtszeit nachhaltig zu gestalten. Aber wir alle wissen, sag ich, dass der wahre Wahnsinn in der Stadtpolitik steckt. Prost, sagt mein Vater und ordert noch ne Runde, ich stimme zu, auch wenn der Weihnachtsmarkt dieses Jahr nichts anderes zu bieten hat als ein paar warme Getränke zum Überleben der politischen Zeiten. Das ist doch kein Plan, was ihr da macht, ruft meine Mutter plötzlich, einfach Glühwein trinken und dann alles vergessen. Beruhig dich, Mama, sag ich, du hast ja recht. Wenn nicht wir, sagt mein Vater, jetzt die Demokratie retten, wer dann? Prost, sagt meine Mutter, vielleicht kommen wir dieses Jahr endlich mal mit weniger Zynismus und mehr Licht im Herzen durch den Winter. Wenn das alles nicht reicht, sag ich, holen wir uns wenigstens noch einen Zacken vom Weihnachtsstern, bevor wir in die nächste Runde starten. Wir haben ja, sagt mein Vater, nicht nur das Recht auf Glühwein, sondern auch das Recht auf eine gerechte Stadtpolitik. Wer weiß, sagt meine Mutter, vielleicht wird das unser allergrößtes Weihnachtswunder in diesem Jahr.