©Thea Nivea
Thea Nivea Glosse
Thea Nivea
Hi, ich bin Thea Nivea. Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de
Ich muss sagen, sag ich, ich war geschockt. Von was, fragt mein Vater. Wovon, sagt meine Mutter. Wem soll ich antworten, frag ich. Macht es einen Unterschied, fragt meine Mutter, ob du auf von was oder wovon antwortest? Offenbar ja, sagt mein Vater, sonst hätte sie mich nicht korrigieren müssen. Mama reklamiert halt sprachlich einen höheren Standard, sag ich. Sprachlich kommt halt immer wieder dein Geburtsort durch, sagt meine Mutter. Wovon, sag ich, ist sprachstilistisch schon besser als von was. Um was gehts hier eigentlich gerade, fragt mein Vater. Worum, sagt meine Mutter. Ich rede schon mein ganzes Leben so, sagt mein Vater. Du hast halt, sagt meine Mutter, die ersten zehn Jahre deines Lebens in Offenbach verbracht. Und du meinst, sagt mein Vater, du bist in Darmstadt auf sprachlich höherem Niveau aufgewachsen? Darmstadt, sagt meine Mutter, ist in Vielem besser als Offenbach. Als wie Offenbach, sagt mein Vater. Ich bin mir da nicht mehr so sicher, sag ich. Wieso, fragt meine Mutter, Darmstadt hat z. B. die Mathildenhöhe, was hat Offenbach? Den Bieberer Berg, sagt mein Vater. Die Lilien spielen drei Klassen höher als dein OFC, sagt meine Mutter. Nächste Saison noch zwei, sag ich. Und übernächste in der gleichen Liga, sagt mein Vater, außerdem waren die Lilien noch nie Pokalsieger oder im Endspiel um die deutsche Meisterschaft. Vergangenheit, sagt meine Mutter. In Zukunft, sagt mein Vater, wird Offenbach Darmstadt auch im Fußball überholen. Interessiert euch überhaupt noch, frag ich, wovon ich so geschockt war? Sags halt, sagt meine Mutter. Dass Darmstadt, sag ich, nicht mehr die sicherste Großstadt Hessens ist. Stimmt, sagt mein Vater, hab ich neulich auch gelesen, und nur noch auf Platz 3 hinter Wiesbaden und, aufgepasst: Offenbach. Die zweite schockierende Nachricht in jüngster Zeit, sag ich. Ich weiß, sagt meine Mutter, bei den Gewerbesteuereinnahmen hat Offenbach Darmstadt auch überholt. Vielleicht, sagt mein Vater, will der OB deshalb am Messplatz jetzt mehr Gewerbe und weniger Wohnungen. Und, sag ich, auch in Darmstadt ein Haus des Jugendrechts, wie es das schon in allen hessischen Großstädten gibt. Unsere grüne Bürgermeisterin will das auch, sagt meine Mutter. Unter ihrem grünen OB, sagt mein Vater, hat die grün geführte Koalition 2017 einen SPD-Antrag dazu abgelehnt. Bist du dir da sicher, fragt meine Mutter. Es stimmt, sag ich, ich habs recherchiert. Ich gestehe, sagt mein Vater, ja allen Menschen eine gewisse Lernfähigkeit zu, auch den Grünen. Zumal, sag ich zu meiner Mutter, der neue grüne Parteichef mit ganz neuen O-Tönen daherkommt. Er kommt ja auch aus der Werbung, sagt mein Vater. Was genau meinst du, fragt mich eine Mutter. Er sagt z. B., sag ich, wir Grüne brauchen eine selbstkritischere Haltung und jetzt ist nicht die Zeit der großen Egos. Logisch, sagt mein Vater, der große Ego der Grünen ist letztes Jahr ja abgetreten. Ich bin mir nicht mehr so sicher, sagt meine Mutter, ob das gut war. Er hat es doch selbst so gewollt, sag ich. Genau so, sagt mein Vater, hat er das nicht gewollt, da bin ich mir sicher. Was läuft in der Politik, sag ich, schon genau so, wie gewollt. Vor allem, sagt mein Vater, wer bestimmt, was gewollt ist und wie genau. Z. B. bei der Straßenbahn nach Wixhausen, sag ich. Deshalb sollen jetzt die Wixhäuser befragt werden, sagt mein Vater. Richtig so, sagt meine Mutter. Ich seh das kritischer, sag ich, würde es die Straßenbahn nach Kranichstein geben, wenn man die Kranichsteiner gefragt hätte? Was weißt du denn davon, fragt meine Mutter, hast du das auch recherchiert? Nein, frühkindliches Trauma, sag ich, ich weiß noch, wie Papa damals über die Kranichsteiner SPD geflucht hat. Stimmt, sagt meine Mutter, da waren wir uns sogar mal einig. Nicht nur deine Mutter und ich, sagt mein Vater, auch die Grünen und die SPD, nur halt die Kranichsteiner SPD nicht. Rot-Grün in Darmstadt, sag ich, das müssen gute Zeiten gewesen sein. Wünschst du dir, dass sie wieder kommen, fragen meine Mutter und mein Vater unisono. Ich bin mir da, sag ich, nicht mehr so sicher.