©Thea Nivea
Thea Nivea Glosse
Thea Nivea
Hi, ich bin Thea Nivea. Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de
Würdest du Oberbürgermeisterin werden wollen, fragt meine Mutter. Nö, sag ich, ich hätte schon mal gar keine Lust, Unterschriften zu sammeln. Die du locker zusammenkriegen würdest, sagt mein Vater. Na ja, sag ich, scheint ja doch nicht so leicht zu sein, wie man sieht. Ja, sagt meine Mutter, ich hätte auch gedacht, dass es in Darmstadt mehr als 43 Piratensymphatisanten gibt. Mit 22 von 142 Unterschriften, sagt mein Vater, hätte ich mich demütig in die Ecke verkrochen, statt große Sprüche abzusondern. Richtig so, sagt meine Mutter, dass beide nicht zugelassen sind. Größter OB-Wahlkampf aller Zeiten, sag ich, passt trotzdem noch. Gerade so, sagt mein Vater, 2017 waren es ja auch schon neun. Diesmal, sag ich, wird der Kampf größer. Und spannender, sagt mein Vater, kein übermächtiger Titelverteidiger mehr und kein klarer Favorit. Und eine anspruchsvolle und herausfordernde Aufgabe wartet, sagt meine Mutter, das wichtigste Amt, das die Stadt zu vergeben hat. Pathos pur, sag ich, ganz nebenbei ist das ein heftiger Brutaljob für vergleichsweise viel zu wenig Kohle. Stimmt, sagt mein Vater, die Heag-Chefs kriegen doppelt so viel, die Entega-Chefin das Dreifache. Ungefähr jedenfalls, sag ich, aber habt ihr euch mal klargemacht, welche dicken Bretter in Darmstadt in der nächsten Zeit zu bohren sind, was es z. B. allein bedeutet, bis 2035 eine klimaneutrale Stadt sein zu wollen? Sags uns, sagt meine Mutter. Die städtischen Unternehmen, sag ich, also Entega, Heag, Bauverein, müssen das umsetzen. Für den Bauverein heißt das konkret, ungefähr 13.000 Wohnungen müssen gedämmt werden und ne neue Heizungsanlage kriegen. Heißt auch, die nächsten Jahre jährlich ungefähr 150 Mio. städtische Investitionen. Ohne massive Unterstützung des Bundes, das sagt der Vorstand des Bauvereins selbst, ist es nicht zu schaffen, den gesamten Gebäudebestand bis 2035 komplett klimaneutral zu kriegen. Durch den Ukraine-Krieg erst recht nicht. Der ÖPNV kostet die Stadt jährlich rund 35 Mio., das gleicht normalerweise die Entega aus, aber was ist, wenn die Gewinne wg. der Energiekrise ausfallen? Die städtischen Kliniken rechnen deswegen auch mit 17 Mio. Minus. 14 Mio. kostet allein in diesem Jahr die Sanierung der Rheinstraßenbrücke plus ein paar Jahre Umleitungen und Staus. Hör auf damit, sagt meine Mutter, für das alles ist doch nicht der OB verantwortlich. Aber, sagt mein Vater, er wird dafür verantwortlich gemacht. Ich bin noch nicht fertig, sag ich. Mir reichts schon jetzt, sagt meine Mutter. Trotzdem, sag ich, weiter gehts: Wird das Museum auf der Mathildenhöhe irgendwann mal fertig, was ist mit dem Besucherzentrum, wir sind schließlich Weltkulturerbe? Dafür gebührt dem amtierenden OB Dank und Respekt, sagt meine Mutter. Von mir aus, sag ich, seinen Job würde ich trotzdem nie machen wollen. Dazu kommt noch, sagt mein Vater, dass unser Häuptling Jochen persönlich ziemlich große Fußabdrücke hinterlässt. Kommt jetzt wieder die Leier mit den Urlaubsflügen in die Karibik, fragt meine Mutter. Nein, sagt mein Vater, ich meine das voller Respekt, er ist z. B. ein begnadeter Redner. Geworden, sag ich, bei seiner Antrittsrede 2011 hab ich mich noch mega gelangweilt. Beim Neujahrsempfang nicht, fragt meine Mutter. Nein, sag ich, seine letzten Worte als Häuptling klangen schon fast nach großem Manitou. Spätestens da, sagt mein Vater, hätte ich als einer der kleinen Bewerber meine Kandidatur zurückgezogen. 12 OB-Möchtegerns, fang ich an zu singen. … kaum hat man sie gesehn, singt mein Vater weiter. Ich guck ihn überrascht an, überlege kurz und singe weiter: Da tagt der OB-Wahl-Ausschuss, da warens nur noch 10. Gibt es eigentlich schon eine politisch korrekte Version des Originals, fragt meine Mutter. Keine Ahnung und egal, sagt mein Vater, kriegen wir noch ne Strophe hin? Klar, sag ich und singe: 10 OB-Möchtegerns, die kochten Wahlkampfbrei, den Wählern hats nicht gut geschmeckt, da warens nur noch zwei. Na ja, sagt meine Mutter. Ausbaufähig, sagt mein Vater. Der reale GrOBWaZ, sag ich, darf gerne besser werden.