©Thea Nivea
Thea Nivea Glosse
Thea Nivea
Hi, ich bin Thea Nivea. Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de
Orakeln wir wieder, fragt meine Mutter. Worüber, fragt mein Vater. Wie es 2023 wird, sagt meine Mutter. Letzten Januar, sag ich, haben wir uns da weit aus dem Fenster gelehnt. Na und, sagt mein Vater, interessiert doch heute keinen mehr. Von wegen, sagt meine Mutter, ich habe gerade gelesen, was die Profi-Wahrsager Ende 2021 alles über 2022 erzählt haben. Du meinst jetzt nicht unsere Politiker, fragt mein Vater. Nein, sagt meine Mutter, denen glaubt man ja sowieso nicht. Aber Wahrsagern, sag ich. Jedenfalls mehr, sagt meine Mutter, deswegen war ich ja so ernüchtert, da stimmte fast nichts. Und unsere Monatsvorhersagen, fragt mein Vater, waren wir besser? Wir können das gerne überprüfen, sag ich. Oh ja, sagt meine Mutter, wir evaluieren unser Orakeln. Na dann, sag ich, ich schick euch den Link zu meiner 22er Januar-Glosse. Angekommen, sagt meine Mutter. Ich krieg das PDF nicht auf, sagt mein Vater. Dann guck bei Mama, sag ich. Unser Januar-Orakel war schlecht, sagt mein Vater. Wieso, sag ich, Lauterbach hat doch bestimmt irgendwo selbst geimpft. Ja, sagt meine Mutter, aber Braun ist nicht CDU-Vorsitzender. Umgekehrt würds eher stimmen, sagt mein Vater. Wie umgekehrt, fragt meine Mutter. Der CDU-Vorsitzende ist braun, sag ich. Aber das ist doch Merz, sagt meine Mutter. Eben, sagt mein Vater. Lass gut sein, sag ich, weiß noch jemand, wie das mit den Fastnachtsumzügen im Februar war, frag ich. Keine Ahnung, sagt mein Vater, aber Inzidenzen weit über 1.000 hatten wir auf jeden Fall. Also Punkt für uns, sag ich, für Januar und Februar. Und März, sagt mein Vater. Quatsch, sagt meine Mutter, es gibt und gibt keine Impfpflicht. Volltreffer im April, sag ich, 100 Punkte für mich. Tatsächlich, sagt mein Vater, ich les mal vor: Anlässlich seines 60. Geburtstags kündigt Jochen Partsch an, nicht für eine weitere Amtszeit als OB zu kandidieren. Meine Vorhersage, sag ich. Respekt, sagt meine Mutter. Dafür lagen wir beim OB-Kandidaten-Orakeln ziemlich daneben, sag ich, mit allen. Bei Kerstin Lau nicht, sagt meine Mutter. Die wirds ja auch, sag ich. Okay, sagt mein Vater, wagen wirs? Klar, sagt meine Mutter, mein Tipp: Michael Kolmer, in der Stichwahl gegen Hanno Benz. Hanno Benz, sagt mein Vater, in der Stichwahl gegen egal wen. Egal wer die Wahl gewinnt, sag ich, Kerstin Lau wird die Oberbürgermeisterin der Herzen. Komm, sagt mein Vater, dein richtiger Tipp. Wenns Kerstin nicht wird, sag ich, bin ich bei Mama. Mal sehn, wer den Treffer landet, sagt mein Vater. Das werden wir im April orakulieren, sag ich. Was werden wir, fragt meine Mutter. Orakulieren respektive Orakulation, sagt mein Vater, Fachbegriff für das Überprüfen von orakelhaften Aussagen. Aha, sagt meine Mutter. Nachzulesen bei Niveapedia, sag ich, leider lagen wir mit allen weiteren Orakeleien weit daneben. In Sachen Lilien-Aufstieg, sagt mein Vater, nur ein Jahr. In Sachen WM-Boykott Lichtjahre, sag ich. Corona dominiert uns nicht mehr, sagt meine Mutter, das hatten wir immerhin. Den Krieg, sag ich, hatten wir nicht und den ganzen Folgescheiß hätte auch kein Mensch gebraucht. Ich schlage vor, sagt mein Vater, wir verzichten deshalb auf ein 2023er Orakel. Einverstanden, sag ich, wir lassen das Leben auf uns zukommen, ohne Planung, ohne Prognosen, ohne … Perspektive, fragt meine Mutter. Gleich kommt ihre obligatorische Prüfungsfrage, sagt mein Vater zu mir. Danke, nein, sag ich, Unken statt Orakeln ist definitiv keine Alternative. Wieso nicht, fragt meine Mutter. Gut, sag ich, dann sag ich: Du wirst 2023 Oma. Mach keine blöden Witze, sagt meine Mutter, mach erst mal dein Studium fertig. Mach ich, sag ich. Mit oder ohne Abschluss, fragt mein Vater. Ist egal, sag ich, ich hab eh schon nen Job. Ah, sagt meine Mutter, welchen? Wenn Kerstin OB’in wird, sag ich, werd ich ihre persönliche Referentin. Na, sagt meine Mutter, das werden wir dann ja zeitnah orakulieren können. Eher unkaluieren, sagt mein Vater, unkaluieren respektive Unkaluation ... Ist gut, Papa, sag ich, ihr werdet sehen, 2023 wird alles … Ganz, ganz anders, sagt meine Mutter.