©Thea Nivea
Thea Nivea Glosse
Thea Nivea
Hi, ich bin Thea Nivea. Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de
Ich bräuchte mal richtig Urlaub, sag ich. Gibts auch falschen Urlaub, fragt mein Vater. Den gabs schon oft genug in meinem Leben, sag ich. Jetzt bin ich aber neugierig, sagt meine Mutter. Als ich noch mit euch Urlaub machen musste, sag ich, obwohl ich längst mit meinen Leuten wegfahren wollte. Ich erinnere mich dumpf, sagt mein Vater, das waren die Zeiten, da war dir alles peinlich. Nicht alles, sag ich, ihr wart mir peinlich. Toll, sagt meine Mutter, ich wollte in die Berge, aber wir sind ans Meer gefahren, weil Tochter Thea das so wollte, da war ich also auch im falschen Urlaub.
Meer ist ja okay, sag ich, aber es war das falsche Meer, ich wollte Sonne, Wind und Sandstrand, nicht Matschepampe. Du warst immer gerne im Watt, sagt meine Mutter. Ja, als Kind, sag ich, und wenn das Meer mal da war, dann als pisswarme, braune Brühe, ich wollte Wellen und blaues Wasser. Ach, sagt mein Vater, deswegen auch lieber Mühltalbad als Mühlchen. Hochschulstadion, sag ich, war ne Zeit lang echt angesagt.
Ich geh am liebsten in den Woog, sagt meine Mutter. Trotz Nilgänsen, fragt mein Vater. Trotz Nutriakacke, frag ich, die da drin rumschwimmt? Kot, sagt meine Mutter. Was hat eine Nilgans, die im Woogswasser landet, fragt mein Vater. Der Witz ist uralt, sag ich. Ich kenn ihn nicht, sagt meine Mutter. Kotflügel, sag ich. Ich kannte ihn doch, sagt meine Mutter. Apropos Kotflügel, sagt mein Vater und guckt kritisch. Mich, sagt meine Mutter, stört der Kratzer nicht.
Welcher Kratzer, frag ich. Deine Mutter hat das Auto in die Garage gefahren, sagt mein Vater, und das Hoftor peripher tangiert. Kann passieren, sag ich, wisst ihr eigentlich, warum der Kotflügel Kotflügel heißt? Ja, mein Kind, sagt mein Vater, wir haben die Sendung mit der Maus früher immer zusammen geguckt. Apropos früher, sagt meine Mutter, wohin würdest du denn heute in den Urlaub fahren?
Wasser, Sonne und Wind, sag ich, brauch ich immer noch, Hitze nicht mehr. Dann musst du schon mal raus aus Darmstadt, sagt mein Vater. Warum, fragt meine Mutter. Weil Darmstadt, sag ich, mit jährlich knapp 70 Sommertagen über 25 Grad und Spitzentemperaturen über 40 Grad die heißeste Stadt Hessens ist. Hast du das gerade frisch recherchiert, fragt mein Vater. Ja, sag ich, alles staubtrockene Fakten. Die Folgen des globalen Klimawandels, sagt meine Mutter, aber der neue OB fährt mit dem Auto ins Büro.
Und Grün-Schwarz-Lila fällt Bäume, sagt mein Vater. Beides ist kacke, sag ich. Kot, sagt mein Vater. Von mir aus, sag ich, laut Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Umweltbundesamts befindet sich Darmstadt in einer der verwundbarsten Klimaregionen Deutschlands. Was heißt das, fragt meine Mutter. Bis 2060, sag ich, weiter ansteigende Temperaturen, zunehmend extreme Hitze und Trockenheit und häufiger und intensiver auftretende Starkregenereignisse.
Wir ziehen ans Meer, sagt mein Vater. Schwierig, sag ich, die Meeresspiegel steigen schneller als erwartet. Dann in den Odenwald, sagt mein Vater. Wo die Einheimischen jeden Meter mit dem Auto fahren, sagt meine Mutter, und gegen Windkraft sind. Nicht grundsätzlich, sagt mein Vater. Klar, sagt meine Mutter, nur halt im Odenwald nicht. Wisst ihr eigentlich, sag ich, dass die Entega gerade Rekordgewinn gemacht hat mit Strom aus Wind und Sonne, ne schlappe Milliarde mehr Umsatz in 2022. Hab ich auch gelesen, sagt meine Mutter. Ich auch, sagt mein Vater.
24 Millionen Euro, sag ich, schüttet die Entega an ihre Anteilseigner aus, 93 % davon kriegt die Stadt, round about 22 Mio. Das freut den Kämmerer, sagt meine Mutter. Und den OB freut, sagt mein Vater, dass er jetzt doch Aufsichtsratsvorsitzender geworden ist. Die späte Einsicht seines Vorgängers, sag ich, der kann dann ja jetzt mal richtig Urlaub machen.
Was hindert eigentlich dich daran, fragt meine Mutter. Ich muss noch meine Glosse schreiben, sag ich. Und warum tust du es nicht einfach, fragt mein Vater. Keine Ahnung, sag ich, was ich schreiben soll. Kein Wunder, sagt mein Vater, wir sind mitten im Sommerloch. Ja, sag ich, und ich hab gerade ein Sommerloch mitten im Kopf.