Eva Katsiris, geborene Brebeck, ist quasi im Biergarten Darmstadt groß geworden. Schon als Fünfjährige wollte sie mitarbeiten und wurde an einer alten Kasse platziert und schon damals war ihr klar: „Diesen Laden übernehme ich mal“, erzählt die 39-jährige Inhaberin schmunzelnd. Doch bis dahin sollten noch einige Jahre vergehen ...
Vom Wiener-Kronenbräu-Keller zum Biergarten Darmstadt
Bereits auf alten Fotos aus dem Jahr 1925 sieht man, dass auf dem Gelände der Wiener Kronenbräu ein Konzertgarten mit Bewirtschaftung betrieben wurde. Bei schlechtem Wetter fanden die Konzerte im Saal statt. Mehrere Pächter bewirtschafteten den Keller bis zu seiner Zerstörung in der Bombennacht. Edith Köhler hat dann 1974 das Gelände mit dem unterirdischen Kellergewölbe zur damaligen Bierlagerung erworben und wusste zunächst nicht, was sie damit machen sollte. Das Grundstück hätte auch mit Wohnhäusern bebaut werden können. Glücklicherweise entschied sich Familie Köhler dafür, mit einem Biergarten an die alte Tradition anzuknüpfen. Bei der Eröffnung hieß es: „Ganz Darmstadt ist im Freudentaumel. Die jahrzehntelange biergartenlose Zeit ist endlich vorbei!“, denn in Darmstadt gab es damals kaum Außengastronomie. So avancierte der Biergarten schnell zum Treffpunkt für alle Darmstädter:innen, für Jung und Alt. Generationen von Darmstädter:innen wuchsen hier auf und kommen immer wieder. Besonders beliebt ist der „Rundlauf“ – man dreht eine Runde und schaut, wen man trifft. Der Darmstädter Biergarten war von Anfang an ein echter Familienbetrieb. Neben Biergarten-Baguettes, hessischen Spezialitäten, Schmalzbroten und Siedewürsten gab es Gurken aus dem Blecheimer sowie Schokoküsse, erinnert sich Vater Helmut Brebeck.
„Es war mir eine große Ehre“
Zeitsprung – Fußball-Weltmeisterschaft 2006: Sommermärchen. Der Ansturm auf den Biergarten war enorm, weil hier die Fußballspiele auf sechs Fernsehern, die auf Paletten standen, live übertragen wurden. Eva Katsiris erhielt einen Anruf von ihrer Mutter Isolde: „Eva, ich brauche dich hier!“. Und Eva kam. Nach ihrer Ausbildung zur Restaurantfachfrau und mit ihren gastronomischen Erfahrungen in London unterstützte sie zunächst die Familie bei der Arbeit, bevor sie den Betrieb als Inhaberin übernahm. „Es ist mir eine große Ehre, den Biergarten in dritter Generation zu übernehmen“. Nach ein paar Jahren wurde der Spielplatz verlegt, sodass an dieser Stelle eine Grillstation eröffnet werden konnte. Heute können sich die Gäste mit Steaks und Grillwürstchen zu kühlem Bier von der Darmstädter Privatbrauerei verwöhnen lassen. Der Küchenchef Martin Philipp sorgt seit 15 Saisons mit viel Leidenschaft für kulinarische Genüsse und eine gleichbleibende Qualität. „Alles wird hier selbst gemacht, meist aus regionalen Zutaten – der Kochkäse, Kartoffelsalat (vegan), Wurstsalat, der Kräuterquark und die Soßen“. Das Angebot sei etwas weniger fleischlastig als früher, die Dressings inzwischen vegan, berichtet Eva. Für einen reibungslosen Ablauf sorgen bis zu 16 Mitarbeitende am Abend, darunter viele Studierende, in jüngster Zeit auch Abiturient:innen.
Urig – gemütlich – kommunikativ
Was macht den traditionsreichen Biergarten so beliebt? „Es ist einfach urig und gemütlich hier. Alle Generationen und alle Schichten kommen – so sitzt der Banker mit der Aktentasche neben der Punkerin“, erzählt Eva. Der Darmstädter Biergarten ist ein beliebter Treffpunkt für alteingesessene Heiner:innen genauso wie für Darmstadts Studierende, die hier „nach Klausurstress und Hörsaalenge ein frisches Bier genießen“. Zur besonderen Atmosphäre tragen auch die alten Kastanienbäume bei, die ursprünglich zur Beschattung der Keller gepflanzt worden waren. „Ich könnte viele Anekdoten erzählen“, schmunzelt Vater Helmut Brebeck, „von Pärchen, die eingeschlossen waren, Franzosen, die einen Vin Rouge bestellt haben und einem Bergführer aus Nepal, den ich im Keller kennengelernt habe“.
©Adrian Noltemeier
Eva Katsiris, Biergarten Darmstadt
Sagenumwoben ist auch der ehemalige Brauereikeller, der zu einem unterirdischen Tunnelsystem gehört. Dieser diente früher zur Kühlung des Bieres von etwa 12 Brauereien, hier herrschen konstant 9 Grad. In den unterirdischen Lagern wurde das Bier mit Woogseis kühl gehalten. Nach 1933 hielten hier Nazis Oppositionelle gefangen, im Zweiten Weltkrieg diente der Keller als Luftschutzbunker. Der Felsenkeller war schon Schauplatz von Michael Kiblers Krimi „Zarengold“ und auch der ehemalige städtische Denkmalschutzpfleger Nikolaus Heiss bot spannende Führungen an – derzeit sind wegen Einsturzgefahr leider keine Besichtigungen möglich.
Aurora, Crêpes und Vikifood am 14. September
Am 14. September erwartet die Biergartenfans von 15 bis 23 Uhr ein buntes Programm – u. a. Vikifood mit Koch Gil Delaveaux, das Rotzfreche Spielmobil, eine Einlage von Aurora DeMeehl (die hier ihren Mann Jo Schmidt kennengelernt hat) und zwei Fässer Freibier von Grohe und Grupes Crêpes. Welche Wünsche gibt es für die Zukunft? „Ich möchte in Zukunft noch mehr Veranstaltungen anbieten – und auf jeden Fall möchten wir familienfreundlich bleiben“, sagt Eva Katsiris. Die nächste Veranstaltung steht vor der Tür: Am 21. September gibt es den Workshop „Artventure Time“ für intuitives Malen. Eine Vision für die Zukunft: Winterbetrieb mit Weihnachtsmarktbuden und Eis-Curling-Bahn. Wichtig ist bei allem stabiles Wetter, ergänzt ihr Vater pragmatisch. Was auf jeden Fall bleiben wird: Neben dem urigen gemütlichen Ambiente wird das Grundstück nie verkauft werden, denn das hat die Familie am Sterbebett von Edith Köhler geschworen. Welch ein Glück für alle Heiner:innen!
Biergarten Darmstadt, Dieburger Straße 97, Darmstadt ZUR WEBSEITE