Eingängige Melodien, amtliche Rock-Hooks und eine Livepräsenz, die hierzulande ihresgleichen sucht – dafür stehen „The New Roses“ aus Wiesbaden. Über die Jahre hat sich die Band mit hunderten Konzerten in Deutschland und der ganzen Welt eine überaus treue Fangemeinde erspielt. Im Dezember feiert das Quintett den Abschluss seiner aktuellen Tour im Wiesbadener „Schlachthof“. Im Gepäck: das neue Album „Attracted To Danger“.
FRIZZmag: Ihr habt 2007 als Coverband aus dem Rheingau angefangen, sehr bald eigene Songs geschrieben und euch schnell eine beachtliche Fangemeinde erspielt. Ab wann wurde dir klar, dass das mit der Musik dein Job werden könnte?
Timmy Rough: Ich habe eigentlich schon immer der Musik den Vorzug gegeben und nie einen „richtigen“ Job gelernt. Früher bin ich von sämtlichen Schulen geflogen, weil ich immer lieber Musik gemacht habe. Erst als Saxofonist in Jazz- und Big Bands und ab meinem 17. Lebensjahr dann mit meiner ersten Rockband. Ab da habe ich es ziemlich krachen lassen, bis ich unseren Drummer Urban kennengelernt und wir die „New Roses“ gegründet haben. Ab da lief dann alles disziplinierter und weniger „Sex, Drugs & Rock’n’Roll“. Das Gefühl, dass das mit der Band wirklich was werden kann, hatte ich, als unser erstes Album draußen war und unser Song „Without a trace“ für den Soundtrack der US-Serie „Sons of Anarchy“ ausgewählt wurde. Das hat unserem Selbstvertrauen einen enormen Schub gegeben.
2018 kam die Anfrage von „KISS“, sie auf ihrer „KISS Kruise“ (legendäre Konzertkreuzfahrt, Anm. d. Red.) in den USA zu begleiten. Erinnerst du dich noch an den Moment, als du die Nachricht erhalten hast?
Ja, das war ein krasser Moment. Wir waren ja damals auch schon permanent auf Tour, aber diese Anfrage hatte dann eine Größenordnung, die wir bis dahin noch nicht kannten.
Wie kam’s eigentlich dazu?
Wir haben jeden Gig ernst genommen und immer abgeliefert. Das hatte sich rumgesprochen. Zwar nicht bis zu „KISS“, aber bis zu ihrer deutschen Konzertagentur. Deren Chef wollte uns unterstützen und hat uns der Band in den USA empfohlen. Dafür sind wir ihm bis heute dankbar, denn so ein selbstloser Support ist sehr selten geworden. Er hat das einfach gemacht, weil er an uns glaubt und uns unterstützen wollte.
Die legendären Glam-Hardrocker haben euch auch eingeladen, für sie bei ihren Deutschland-Shows zu eröffnen. War euch da schon bewusst, dass das ein zweifelhaftes Vergnügen sein kann? Die „KISS Army“ buht Vorbands nicht selten gnadenlos aus.
Stimmt. Das wurde uns schnell klar, als wir uns dann konkret für die Shows vorbereitet haben. Es haben auch nicht alle sofort „Juhu“ gerufen, sondern der eine andere meinte auch Sachen wie: „Respekt, für so eine Show braucht es echten Mut!“. „KISS“-Fans verehren ihre Band fast schon „religiös“. Und ich hatte echt Schiss, vor allem, weil ich als Frontmann ja auch die Ansagen ans Publikum zu machen hatte. Ich habe mich dann entschieden, einfach authentisch zu bleiben und nicht mit einem gespielten Selbstbewusstsein da raus zu gehen. Wir lieben Rock’n’Roll und wir lieben es, auf der Bühne zu stehen. Und so hat sich das alles in Wohlgefallen aufgelöst. Die Leute waren mega gut drauf und sind voll mitgegangen. Später kam dann „KISS“-Manager Doc McGhee und meinte, dass er bei einem „KISS“-Support noch nicht erlebt hätte, dass die Leute mitgehen, mitsingen und bei den Ansagen still sind. Der war echt baff.
„The New Roses“ durften auch für andere Legenden wie Alice Cooper, die „Scorpions“ oder „Foreigner“ den Anheizer geben. Was nimmt man von solchen Shows als Musiker mit? Das ist ja das ganz große Business, die Liga, die man selbst irgendwann erreichen möchte.
Diese Bands sind ja nicht grundlos Legenden. Die machen ja über viele Jahre was richtig und schreiben über Jahrzehnte konstant immer wieder großartige Songs. Das beeindruckt mich natürlich auch als Songwriter sehr. Und bei diesen Shows sich das alles aus direkter Nähe anschauen und mit diesen Leuten austauschen zu dürfen, war der beste Unterricht, den wir als junge Rockband bekommen konnten. Ich bin auch immer wieder erstaunt, wie bodenständig und entspannt viele dieser sehr großen Acts geblieben sind. Die leben einfach ihre Liebe zur Musik. Und trotzdem strahlen die auch dieses Rockstar-Ding total aus. Selbst, wenn „KISS“ im Trainingsanzug zum Soundcheck auf die Bühne kommen, wirken sie überlebensgroß.
Denkst du, dass es für Bands heute noch möglich ist, Karrieren wie die von „AC/DC“, „Scorpions“ oder „KISS“ aufzubauen?
Nein, denke ich nicht. Zumindest nicht mit diesem Legendenstatus. Klar, es gibt Megastars wie Taylor Swift oder Harry Styles, die auf Rekordlevel Tickets verkaufen und denen Millionen Fans auf der ganzen Welt zujubeln. Aber ich glaube nicht, dass sich in 50 Jahren noch sehr viele Leute an Taylor Swift und ihre Songs erinnern werden. Allerdings glaube ich sehr wohl, dass sich in 50 Jahren immer noch junge Rockfans das „AC/DC“-Logo tätowieren lassen werden. Als Band Geschichte zu schreiben und Songs zu veröffentlichen, die ganze Generationen geprägt haben, das ist so heute einfach nicht mehr möglich. Bands wie „AC/DC“ haben schlicht den Rock miterfunden. Und das geht einfach nur einmal, das sind die Pioniertaten. Wenn du heute Gitarre lernst und auf laute Rockmusik stehst, landest du sehr schnell bei Riffs von „AC/DC“. An denen kommst du nicht vorbei. Das ist die Grundlage für Rock-Songwriting. Bands wie „AC/DC“ hatten einfach als erste die Antwort auf viele Fragen von jungen Musikfans, die ein Lebensgefühl in sich hatten, aber bis dato noch nicht den Soundtrack dazu kannten. Da ist ein Feuer entzündet worden damals. Und Bands wie wir tragen diese Fackel weiter.
Ihr habt über die Jahre hunderte Konzerte und Festivalshows in ganz Europa gespielt. Wie sind eure Erfahrungen in den verschiedenen Ländern? Reagieren die Fans z. B. in Spanien anders auf eure Musik als in England oder Deutschland?
Die Euphorie drückt sich unterschiedlich aus, würde ich sagen. Auf den Festivals in Spanien, beispielsweise, rasten die Leute so richtig aus. Die sind sehr expressiv, reißen sich ihr T-Shirt vom Leib und schwenken das wie eine Fahne. Zwischen den Songs kommen vom Publikum immer „Olé“-Chöre. Da braucht es keine Ansagen wie „Und jetzt springt mal alle!“. Die sind vom ersten Ton an komplett dabei und rasten aus. In Deutschland hingegen „genießen“ die Leute die Shows eher. Die sind nicht weniger happy, aber mehr in sich gekehrt, da gibt es weniger „Mosh-Pit“ vor der Bühne. Das „Wacken“-Festival mal ausgenommen, das ist wieder eine ganz eigene Welt für sich (lacht).
Du bist seit Jahren permanent mit der Band auf Tour und auch in deiner Freizeit bist du viel auf Achse: Dieses Jahr hast du beispielsweise einen Motorradtrip durch Europa gemacht. Was bedeutet es dir, unterwegs zu sein?
Ich habe mir das ziemlich lange überlegt mit dem Motorradführerschein. Ich hatte da immer großes Interesse, aber ich bin mit der Band so viel unterwegs, dass ich immer am Zweifeln war, ob das so eine gute Idee ist, auch noch in meiner Freizeit auf Achse zu sein. Draußen war ich aber schon immer gerne. Ich habe irgendwann „Ultrarunning“ für mich entdeckt und habe da großartige Erlebnisse in der Natur gehabt. Diese Trips haben mir immer sehr viel gegeben. Dieses Jahr habe ich dann aber doch den Führerschein gemacht und bin mit der Harley nach Spanien und viertausend Kilometer durch die Gegend gefahren. Unterwegs zu sein, ist wichtig für mich. Die Bewegung an sich, die Eindrücke, die man sammelt, die Leute, die man trifft. Der große Unterschied beim Unterwegssein in meiner Freizeit ist das Alleinsein. Ich suche dann bewusst die Abgeschiedenheit und Selbstreflexion. Das sind sehr introvertierte Momente, in denen ich meine Erlebnisse aus dem Touralltag gut reflektieren kann. Ob man das „Erdung“ nennen kann? Auf jeden Fall hilft es mir, etwas Abstand zu meinem Touralltag zu gewinnen und mich wieder neu zu sortieren.
Ein ganz besonderes Konzerterlebnis dürfte 2017 eure Show für die internationalen Truppen im afghanischen Masar-e-Sharif gewesen sein. Was kommt dir in den Sinn, wenn du heute daran zurückdenkst?
Wir hatten das damals gar nicht so aus dem politischen Blickwinkel gesehen, sondern einfach als Möglichkeit, den Leuten, die dort so lange und weit von zu Hause weg waren, mit unserer Musik eine gute Zeit zu bereiten. Vor Ort war das dann erst mal sehr ungewohnt, mit den ganzen Sicherheitsmaßnahmen und diesem Bedrohungsgefühl konfrontiert zu sein. Das hat unseren Respekt vor den Leuten dort, die sich dieser Gefahr tagtäglich ausgesetzt haben, noch mal zusätzlich erhöht. Wir haben dann zwei Konzerte gespielt und die Leute waren mega happy. Nicht nur wegen unserer Show, sondern einfach, weil wir diesen Weg auf uns genommen haben, um für sie zu spielen. Da gab es sehr viel Austausch mit und man hat gespürt, dass es den Leuten einfach gut getan hat, mal mit jemandem „von draußen“ zu sprechen. Das war eine sehr starke Erfahrung. Weniger politisch, sondern vielmehr zwischenmenschlich. Ich tue mich generell schwer damit, wenn sich Bands politisch äußern. Ich vermeide das, weil ich von vielen, oft komplexen Themen einfach zu wenig Ahnung habe, um meine Meinung offen kundtun zu wollen. Aber ich denke mir, dass der Abzug aus Afghanistan auch bittere Gefühle bei den Leuten, die dort stationiert waren, hinterlassen hat. Ich erinnere mich, wie ich in den Nachrichten Bilder gesehen habe, wie Taliban durch diese Basis, in der wir damals gespielt haben, gelaufen sind. Da war im Hintergrund der Tischkicker zu sehen, an dem wir bei unserem Besuch gespielt hatten. Das war ziemlich surreal.
Auf eurem neuen Album „Attracted To Danger“ befindet sich auch eine Coverversion des Neil-Young-Klassikers „Rockin In The Free World“. Der Song könnte heute kaum passender sein. Perfektes Timing, würde ich sagen.
Kann man so sehen, stimmt. Aber auch hier steckt primär kein politisches Statement dahinter. Wir haben den Song immer wieder bei unseren Soundchecks unserer „Sweet Poison“-Tour gespielt. Der Song hat uns gut gefallen und nach und nach hat er sich in unser Liveset geschlichen. Die Nummer kam bei den Leuten super an und wurde ein Höhepunkt unserer Konzerte. Nach der Tour wollten wir diese Erinnerung daran nicht verpuffen lassen, daher haben wir uns entschlossen, unsere Version des Songs noch mal aufzunehmen und auf das neue Album zu packen. Und natürlich ist es völlig ok, wenn auch hier die Grundwerte des Songs mitschwingen. Wir haben ja schon früher Songs wie „What if it was you?“ aufgenommen, der auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise entstanden ist. Aber auch da ging’s nicht um eine politische Message, sondern vor allem das Bewusstsein, dass wir alle im Angesicht dieser vielen Krisen und furchtbaren Bilder, die wir jeden Tag in den Medien sehen, immer mehr abstumpfen und immer weniger Anteil am persönlichen Leid anderer nehmen. Das war einfach meine Reaktion als Mensch.
Am 14. Dezember gibt es ein Heimspiel: „The New Roses“ live im „Schlachthof Wiesbaden“. Ihr seid weit herumgekommen, aber eurer Heimat immer treu geblieben. Was gefällt dir an Wiesbaden?
Es ist einfach schön dort. Vor allem der Rheingau und die ganze Gegend am Mittelrhein um die Loreley. Die ist nicht ohne Grund Weltkulturerbe. Wenn man viel unterwegs ist, weiß man es sehr zu schätzen, einen so schönen, besonderen Ort sein Zuhause nennen zu können. Und Wiesbaden selbst hat mit dem „Schlachthof“ eine absolute Rockclub-Institution geschaffen. Ich habe meine komplette Jugend in diesem Laden verbracht, habe „Motörhead“, Danko Jones, „Machine Head“ und unzählige andere Bands dort gesehen. Nicht zu vergessen die ganzen Partys: Rock, Funk, ich war da immer! Der Backstagebereich im „Schlachthof“ ist tapeziert mit Konzertpostern von Shows, die dort stattgefunden haben. An diesen ganzen Plakaten vorbei zur Bühne zu laufen, ist immer sehr beeindruckend für mich. Da sehe ich die ganze Konzerthistorie meiner Jugend. Früher habe ich unten vor der Bühne gestanden, heute darf ich oben stehen. Zwischen erster Reihe und der Bühne liegen nur zwei Meter Abstand, aber wie viele Jahre es gebraucht hat, um da hochzukommen! Bei den Shows im „Schlachthof“ läuft immer ein ganzer Film in mir ab, weil der Ort mit so vielen Erinnerungen verknüpft ist und mir zeigt, wie groß die Reise mittlerweile geworden ist.
Für die Show habt ihr euch „Moon Shot“ aus Finnland und die Engländer von „The Hot Damn!“ eingeladen. Klingt nach einem energiegeladenen Abend. Erzähl mal was über eure Gäste.
Für uns war schon immer klar, wie wertvoll und wichtig der Opening Slot für eine junge Band ist. Einen Großteil unseres Erfolgs haben wir diesen vielen Jobs als Vorgruppe für namhafte Bands zu verdanken. Deswegen suchen wir unsere Vorbands mit Bedacht aus und geben ihnen allen Support, den sie für eine großartige Show bei uns brauchen. Das ist leider nicht immer so: Es gibt nicht wenige Bands, für die ihre Supports eher ein notwendiges Übel darstellen und behandeln sie entsprechend schlecht: kurze Spielzeit, magerer Sound, wenig Licht. Das handeln wir ganz anders. Wir möchten diesen Bands durch ihre Shows bei uns einen Mehrwert bieten. Die müssen dann auch gar nicht unbedingt stilistisch nah bei uns sein. „Moon Shot“, beispielsweise, machen ziemlich andere Musik als wir, aber sie bringen ihr Ding sehr gut rüber und unser Publikum mag die Band sehr. Und zu „Hot Damn!“ haben wir eine recht enge Bindung über das gemeinsame Duett mit ihrer Sängerin Gill für „Hold me up“, das wir für unser neues Album gemeinsam aufgenommen haben. Wir freuen uns schon sehr auf das Wiedersehen. Unser Heimspiel wird also eine Art „Mini-Festival“ – ein großartiger Abschluss für unsere Tour!
Vielen Dank für das Gespräch.
FRIZZmag präsentiert: „The New Roses“ live
Sa., 14.12., Schlachthof, Wiesbaden, 19 Uhr
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Betreff: The New Roses
Einsendeschluss: 9.12.2024
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