2024 krempelt die Sängerin und Songwriterin Sarah Lesch ihr Liedermacherinnen-Image komplett um und läutet mit dem neuen Album „Gute Nachrichten“ und frischem Sound den Anfang einer neuen Ära ein: punk-rockig und laut! FRIZZmag hat die Wahl-Leipzigerin zum Gespräch getroffen.
FRIZZmag: „Ich will das machen, worauf ich Bock hab, ich will die großen Bühnen rocken!“ hast du in Bezug auf dein neues Album „Gute Nachrichten“ gesagt. Und mit den neuen Songs dürfte dir das auch gelingen. Sie strotzen nur so vor Energie. Ein ziemlicher Kontrast zu deinen früheren, meist akustisch gehaltenen Liedern. Sarah, Rock und Punk – warum kommt das erst jetzt zusammen?
Sarah Lesch: Ich hatte eigentlich bereits vor der „Corona-Zeit“ die Idee, mit großer Band auf die Bühne zu gehen. Das ist allerdings von der Planung und der Logistik her eine ziemliche Herausforderung und als es dann pandemiebedingt diese vielen Einschränkungen gab, musste ich den Wunsch erst mal sowieso auf Eis legen. Aber auch jetzt, wo ich meine Pläne mit Band endlich umsetzen kann, bleibe ich ja eine Sängerin und Songwriterin. In den neuen Liedern steckt nach wie vor ganz viel Sarah drin. Aber ich bin sehr happy, dass das jetzt klappt, denn ich mag es, wenn’s kracht! Ich fand harte Gitarrensounds schon immer geil und bin auf der Bühne ein ziemlicher Flummy und habe Bock, mich zu bewegen, und liebe es, zu tanzen. Aber wie gesagt: Die andere Seite von mir ist nach wie vor da und wird auch wiederkommen.
Du sprichst in deinen Songs häufig soziale Konflikte und Probleme an. Was sind deiner Meinung nach aktuell die größten Probleme der Gesellschaft?
Dass wir nicht zusammenhalten. Und dass wir es verlernt haben, miteinander in einem konstruktiven Sinn zu streiten. Das sind, auf den Punkt gebracht, unsere beiden größten Probleme, denke ich. Es wäre wichtig, dass wir viel mehr voneinander lernen und uns gegenseitig mehr zuhören. Wir sollten aufhören, uns immer als Gegner zu sehen. Das gilt beispielsweise für die verschiedenen Generationen in unserer Gesellschaft, wo viele Ältere den Kids, die für eine nachhaltigere Lebensweise auf die Straßen gehen, die Kompetenz absprechen, ihre eigenen Ideen und Ziele zu haben, wo unsere Zukunft hingehen soll. Die Jungen sollten hier, meiner Meinung nach, viel mehr Rückenwind bekommen. Ein anderes Thema ist der Rechtsruck in unserem Land, der ja nicht über Nacht gekommen ist, und der unter anderem Ausdruck dafür ist, dass sich viele Leute in unserer Gesellschaft nicht gesehen und gehört fühlen.
Ein sehr berührender Song auf dem neuen Album ist das melancholische „Wenn er nicht trinkt“. Die Zeilen klingen nach persönlicher Erfahrung – wie autobiografisch sind deine Texte?
Die sind sehr autobiografisch. Natürlich schreibe ich auch Texte über Geschichten und Erlebnisse anderer Leute. Allerdings betreffen die mich meist in der einen oder anderen Form, weil mir diese Leute in der Regel recht nahe sind. „Wenn er nicht trinkt“ hat auf jeden Fall auch autobiografische Bezüge, da ich in einer Branche arbeite, in der Alkoholprobleme ziemlich verbreitet sind, und das Problem auch in einigen meiner Beziehungen Thema war. Die Erfahrung, co-abhängig zu sein, ist mir nicht fremd. Das ist ein Thema, über das sehr wenig gesprochen wird. Die Stigmatisierung der Menschen mit Alkoholproblemen ist das eine, sehr komplexe Thema. Denn die meisten trinkenden Menschen „funktionieren“ ja trotz ihrer Sucht und sind kaum sichtbar mit ihren Problemen. Das andere sind die Menschen, die um so eine Sucht herum leben: die Partner:innen, die Kinder, die Eltern. Auch die sind massiv von so einer Sucht betroffen und den Song habe ich auch deshalb geschrieben, damit diese Leute sich gesehen fühlen.
Seit jeher beziehst du auch Position gegen alte und neue Nazis. Nachdem die AfD über viele Jahre konstant einen Wahlerfolg nach dem anderen verbuchen konnte, zeigt sich ein großer Teil der Gesellschaft wehrhaft und macht auf Demos mobil gegen rechte Hetze. Wie denkst du über diese späte Gegenbewegung?
Es ist unnötig, sich zu grämen, dass man erst so spät loslegt. Hauptsache ist, dass wir alle jetzt was gemeinsam bewegen. Denn das Klima hat sich in den vergangenen Jahren leider deutlich verschlimmert. Als öffentliche Frau, die sich für Feminismus und Antirassismus einsetzt, merke ich das oft am eigenen Leib. Wenn man sich wie ich für geflüchtete Menschen oder die Seenotrettung engagiert, schlägt einem oft der pure Hass entgegen. Das drückt sich oft durch sexualisierte Gewalt aus oder es wird massiv auf Äußerlichkeiten rumgehackt und ich bin immer wieder erstaunt, aus welchen versteckten Ecken mir das entgegenblubbert. Hannah Arendt hat ja von der „Banalität des Bösen“ gesprochen, daran muss ich in diesem Zusammenhang oft denken. Für die Leute ist nur der Typ mit der Glatze und den Springerstiefeln ein Nazi, aber nicht der nette Onkel von nebenan. Und dabei schimpft gerade der nicht selten aufs Übelste über Minderheiten. Hinter diesem Hass stehen oft ganz banale, unscheinbare Leute. Das macht sie aber nicht weniger gefährlich. Deswegen müssen wir darauf aufmerksam machen, auch wenn man sich damit unbeliebt macht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass einiges für mich als Künstlerin einfacher und erfolgreicher hätte laufen können, wenn ich öfter mal die Schnauze gehalten hätte. Konnte ich aber nicht und werde ich auch weiterhin nicht. Da gibt es keine Diskussion. Lange hinschauen und schweigen – das könnte ich mir nicht verzeihen.
Nachdem du lange in Baden-Württemberg gelebt hast, bist du 2015 nach Leipzig gezogen. Auch wenn Leipzig eine eher liberale Stadt ist, hat Sachsen ein amtliches Naziproblem. Wie gehst du damit in deinem Alltag dort um?
Ich lebe ja in Leipzig auch primär in meiner linken Bubble und komme, wie die meisten Leute aus der Großstadt, nur selten aus meinem Kiez raus. So wirklich viel bewege ich mich also in „problematischen Vierteln“ gar nicht. Trotzdem sind hier ganz viele unterschiedliche Leute in meinem Alltag unterwegs und ich versuche, den Leuten, die mir begegnen, immer mit Respekt zu begegnen, und wenn’s mal hakt, versuche ich, eher Brücken zu bauen als Mauern. Das fällt mir allerdings auch nicht immer leicht und manchmal bin ich versucht zu fragen, ob meinem Gegenüber nicht ins Gehirn geschissen wurde (lacht). Gerade in Bezug auf diese ganzen Diskriminierungen im Alltag. Die gab’s im Schwabenländle auch, klar. Aber dort waren die meist unterschwelliger, nicht ganz so laut wie hier im Osten. Einer der größten Unterschiede war und ist ganz sicher, dass in Baden-Württemberg viel mehr unterschiedliche Kulturen miteinander leben als in Leipzig. Das fehlt hier, finde ich. Man kann sich nicht an etwas gewöhnen, was es nicht gibt. Also bleibt es einem fremd.
Udo Lindenberg hat dich einst als „Klartextsprecherin“ bezeichnet, „… von denen unsere bunte Republik Deutschland mehr braucht“. In der Tat zeigen leider nur sehr wenige Künstler:innen klare Kante gegen Rechts. Warum ist das so?
Ich finde es in der Regel problematisch, dass man unbedingt von Künstler:innen zu diesem Thema eindeutige Positionen sehen möchte. So nach dem Motto: „Alles ist politisch und du machst ja Kunst, dann musst du doch auch als Künstler:in in deiner Kunst ganz klar zeigen, dass du gegen Nazis bist.“ Ich denke aber, dass alle Menschen zu diesem Thema klar Position beziehen sollten. Und man kann ja auch ein Zeichen als Person setzen, beispielsweise für eine „Gegen Nazis“-Aktion spenden oder Ähnliches. Warum das so wenige Künstler:innen machen, liegt sicher an der großen Projektionsfläche, die sie bieten. Da kommen schon amtlich Hasswellen auf Social Media und Co. Das muss man aushalten können. Und man hat, wie schon erwähnt, ganz klar wirtschaftliche Nachteile durch dieses „Position beziehen“. Man wird deutlich seltener im Radio gespielt mit kritischen, politischen Songs. Deswegen lassen es auch viele. Zudem bei größeren Acts nicht selten auch noch ein ganzer Haufen Leute aus der Crew und deren Jobs dranhängen. Da überlegt man sich einen möglichen Karriereknick eher zweimal. Von daher denke ich auch, dass man das von niemandem erwarten sollte, freue mich aber sehr über alle Künstler:innen, die den Mut und die Kraft aufbringen, hier klar Position zu beziehen wie zuletzt auch Helene Fischer bei dieser Aktion im „Stern“. Ich bin sicher, dass sie auch ganz schön dafür einstecken musste. Umso mehr: Hut ab!
Ein Thema, das dir ebenfalls sehr am Herzen liegt, ist Diversität – die ist aber in der Kulturlandschaft noch nicht wirklich angekommen. Wirklich bunt sind beispielsweise Festival-Line-ups nicht wirklich. Was muss sich ändern?
Da man ja nicht von jetzt auf gleich die Chefetagen dieses Landes austauschen kann, müssen und dürfen sich Männer ihrer Privilegien bewusst werden. Wenn Männer sich hier mal trauen und sich klar für eine Gleichberechtigung einsetzen würden, wäre das schon mal ein Riesenschritt! Noch besser: wenn sie sogar mal ihre Plätze für Frauen freimachen würden. Ich habe einige prominente Freunde und Kollegen, die sich als Feministen bezeichnen, aber nie auf die Idee kommen, mir mal zu helfen. Da gibt’s immer noch eine ganz krasse „Brotherhood“ untereinander. Die supporten und featuren sich, wo’s nur geht, aber wenn’s darum geht, mal eine Kollegin zu unterstützen, dann wird da deutlich weniger Engagement gezeigt. Das merke ich schon. Es geht ja jetzt nicht darum, unbedingt eine Frau einzustellen, nur weil sie lesbisch ist. Aber es gibt eben ganz viele tolle Musiker:innen und wenn man will, dann findet man die auch. Und wir sind da auf jeden Fall auf die Hilfe der Leute angewiesen, die bei der Planung solcher Festivals und Tourneen die Entscheidung treffen. Und die sind nun mal zu großer Zahl heterosexuell und männlich. Dass die Verhältnisse so sind – da können die erst mal nichts für. Denn wir sind alle in diesen Strukturen aufgewachsen, aber diese Männer haben sehr lange von diesen Strukturen partizipiert und es wäre toll, wenn sie verstehen, wie wichtig es für alle ist, wenn wir am Ende auf Augenhöhe sind. Das sind noch viele Schritte, die bis dahin zu gehen sind.
Am 19.4. startet deine Tour in Friedrichshafen. Was dürfen deine Fans live erwarten? Wie integrierst du die neuen lauten Songs in dein eher ruhiges Oeuvre?
Ich bin immer auch schon laut gewesen. Meine Konzerte sind ein buntes Potpourri aus vielen Emotionen, da geht’s den ganzen Abend hoch und runter. Auf der kommenden Tour wird’s aber einfach noch mal etwas tanzbarer. Wir werden natürlich auch alte Hits spielen und die Lieblingssongs unserer Zuhörer:innen werden nicht zu kurz kommen. Wir haben meine Songs über die Jahre in vielen unterschiedlichen Gewändern präsentiert und diesmal machen wir das eben mit einer Rockband. Das heißt: Tanzen, Abfeiern und Mitsingen. Natürlich werde ich aber auch mal die Akustische in die Hand nehmen und einige meiner ruhigen Songs spielen. Auf jeden Fall wird’s wie immer Sarah sein – nur diesmal mit „Kawumms“!
Vielen Dank für das Gespräch.
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FRIZZmag präsentiert: Sarah Lesch & Band live!
So., 28.4., 20 Uhr, Centralstation, Darmstadt
FRIZZmag verlost 3x2 Tickets für das Konzert in der „Centralstation“.
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Einsendeschluss: 23.4.2024
Die Gewinnbenachrichtigung erfolgt per E-Mail.