Festlegen wollte sich Roman Geike aka Romano nie. Der Berliner Rapper, Produzent und Lebenskünstler sitzt stilistisch seit jeher zwischen allen Stühlen. Und er scheint sich da ungemein wohlzufühlen. Im Juni spielt Romano im Rahmen der „ZukunftsMucke“-Reihe im Mainzer „KUZ“ ein „Open-Air-Klimakonzert“ und präsentiert unter anderem Songs seines neuen Albums „Vulkano Romano“. FRIZZmag: Im März ist dein neues Album „Vulkano Romano“ erschienen, das wie seine Vorgänger sehr vielfältig geraten ist und mit Songs wie „Magical“ dein großes Faible für Schlager-Pop offenbart. Woher rührt deine Liebe zum Schlager? Romano: Das hat sich entwickelt. Nach dem letzten Album „Copyshop“ hatte ich zunächst wieder Songs im vertrauten „Romano-Stil“ geschrieben, dann aber gespürt, dass ich gerne wieder andere Facetten in meine Musik einbringen wollte. Es ging da viel um musikalische Sinnsuche und die Frage „wo möchte ich eigentlich hin?“ Ich wollte wieder mehr singen, weniger perkussives mit meiner Stimme, weniger Rap machen. Inhaltlich wollte ich weg vom „höher, schneller, weiter“, das unsere Gesellschaft immer mehr bestimmt, hin zu mehr Innenschau, zu mehr Weichheit, weniger Härte und mehr Ruhe. Ich wollte wieder näher an die Menschen ran. Und auch mehr Liebe zeigen und zulassen. Und das Ergebnis sind die Songs auf „Vulkano Romano“. Ich finde auch das Cover mit dem brennenden Herz auf meiner Brust spiegelt das gut wider. Du hast eine sehr bunte musikalische Vergangenheit – von Rap und Crossover über Drum'n'Bass und Dance bis zu Metal hast du so ziemlich alles ausprobiert. Du scheinst immer auf der Suche zu sein. Das Leben ist ja auch im permanenten Wandel begriffen. Ich finde es schwer, an einem bestimmten Punkt zu stoppen und zu sagen „das ist es jetzt!“ Klar, solche Momente können auch Anker sein, an denen man sich gerne festhält und sicher fühlt, aber ich bin gerne unterwegs, in Bewegung und probiere mich aus. Das Leben ist eine Spielwiese und wer meine Karriere verfolgt hat, sieht, dass das ein ganz bunter Mix aus vielen Themen und Stilen ist. Was sicher aber durch alle Phasen zieht, ist dieser Wunsch nach Nähe zu den Leuten und uns alle bei meinen Konzerten in Verbindung zu bringen. Das lief früher unbewusster ab, ist aber über die Jahre mein ganz konkretes Ziel. Egal, was ich musikalisch mache.
©Marc Zumbansen
Romano
Du bist ein Kind der Wende – zu dieser Zeit war musikalisch enorm viel in Bewegung. Ich denke da an die Loveparade und Techno, aber auch Grunge, Alternative-Rock und die Boy- und Girlgroups. Ja, eine wilde Zeit. Als die Mauer gefallen ist, war ich 13 und bin sehr schnell mit diesen ganzen Dingen in Kontakt gekommen. Über einen Freund, der mittlerweile DJ war, bin ich viel mit der Technoszene in Berührung gekommen. In der Schule waren Hip-Hop und Metal das große Ding. Das war im Grunde konträr, aber alles auch spannend und hatte enorme Anziehung auf mich. Und: Ich wollte mich da auch in keine Richtung abgrenzen, schon damals nicht. Hinzu kam, dass der Westen im Osten noch nicht wirklich angekommen war, der Osten aber schon politisch abgedankt hatte. Das hat sich irgendwie sehr frei und fast schon anarchisch angefühlt. Alles schien möglich damals. Diese Jahre haben mich sehr geprägt. „Vulkano Romano“ ist dein erstes Album seit sechs Jahren. Warum die lange Pause? Du giltst eigentlich als überaus produktiv und die Corona-Jahre haben viele Bands genutzt, um viel und oft ins Studio zu gehen. Bei dir hingegen waren eher Selbstreflexion und Zurückhaltung angesagt. Es war einfach einiges im Umbruch. Meine Plattenfirma und ich sind getrennte Wege gegangen und ich bin erstmal in ein Loch gefallen, irgendwie. Ich war dann, wie schon erwähnt, auf der Suche. Songs hatte ich etliche geschrieben und auf Halde. Aber ich bin als Künstler multimedial interessiert. Videos, die visuelle Umsetzung meiner Musik, sind mir sehr wichtig. Und mein langjähriger Videoregisseur Jakob Grunert hatte sich neu orientiert. Ich musste mich also erst mal wieder in der Außenwelt umsehen, mich neu fokussieren und schauen, mit wem ich zukünftig meine Projekte gestalten kann. Das sind Prozesse, die Zeit brauchen. Im Endeffekt hat mich das alles wesentlich selbstständiger werden lassen: eigene Plattenfirma, alle Dinge liegen in meiner Verantwortung. Das ist gut so, kann aber mitunter auch eine Bürde sein. Die Corona-Pause war allerdings auch noch ein Grund, warum ein neues Album auf sich warten ließ. Ich bin vom Livegeschäft abhängig und ohne die Möglichkeit, mein Album auf Tour zu promoten, macht auch die Veröffentlichung nur bedingt Sinn. Köpenick, wo du aufgewachsen bist und auch heute noch lebst, scheint einen großen Einfluss auf dich zu haben. Du hast diesem bislang eher ignorierten Stadtteil Berlins mit dem Song "Köpenick" auf deinem Debüt damals ein echtes Denkmal gesetzt. Was bedeutet Köpenick für dich? Das ist Heimat und Rückzugsort. Ich fühle mich dem Ganzen hier sehr verbunden und kann immer sehr gut runterkommen, wenn ich länger in der Welt unterwegs war. Das ist so ein bisschen wie Straßenklamotten ausziehen und in den Bademantel rein. Ein heimeliges Gefühl. Irgendwie interessant: Auch wenn ich musikalisch immer auf der Suche bin, habe ich in Köpenick hingegen schon lange mein Zuhause gefunden und bin angekommen. Der treue Köpenicker, irgendwie verrückt.
©Fabien Prauss
Romano
Romano, MC Ramon, Cornerboy, Left Coast, Dayton the Fox sind allesamt Pseudonyme von dir. Du liebst das Spiel mit Identitäten. In einem Clip sieht man dich beim Neujahrsempfang in Köpenick mit dem legendären Hauptmann von Köpenick, dem Schuhmacher Wilhelm Voigt, der erst durch die Annahme einer anderen Identität respektiert wird. Du selbst wirst gerne als „General von Köpenick“ bezeichnet. Inwieweit hat dich der Hauptmann von Köpenick inspiriert? Da muss ich etwas ausholen. Mein Vater war Sprengmeister und Pyrotechniker in der DDR und hat die Waffenkammer des DDR-Fernsehens in Adlershof verwaltet. Als Kind durfte ich dort oft sein und fand das alles ganz spannend. Nebenan war nämlich auch die Requisite und da konnte ich mich immer verkleiden. Ich hatte da extrem viel Spaß und denke, dass hier auch mein Faible fürs Kostümieren herkommt. So ist auch der „schöne General“ entstanden, denke ich. Den Hauptmann von Köpenick fand ich schon immer sehr interessant – eine humorvolle, aber auch tragische Figur. Er nutzt diese preußische Obrigkeitshörigkeit aus, indem er sich durch das Tragen der Uniform unantastbar macht. Ein ziemlicher Geniestreich. Ähnlich wie Till Eulenspiegel, der den Menschen auch gerne mal den Spiegel vorhält. Oder Pippi Langstrumpf. Solche gesellschaftlichen Grenzgänger mag ich sehr. Du bist Sänger, Produzent, Entertainer, mittlerweile auch ab und an Schauspieler, gelernter Mediengestalter, Lebenskünstler – um welche Begriffe lässt sich diese Liste fortsetzen? Menschenfreund, Weltbürger, Suchender, Träumer auch und … Kind. Das auch, auf jeden Fall! Ich habe immer den Wunsch, das Spielerische in mir zu erhalten und auch in anderen Leuten zu wecken. Letzte Frage: Der Natur- bzw. Klimaschutz spielt eine immer zentralere Rolle in unserer Gesellschaft. Am 17.6. spielst du im Rahmen der „ZukunftsMucke“-Reihe in Mainz ein klimafreundliches Konzert, bei dem relevante Treibhausgas-Emissionen berechnet werden. Welchen Stellenwert nimmt der Klimaschutz in deinem Leben ein? Seit den 80ern und FCKW ist das natürlich auch bei mir ein Thema. Und eines, das immer wichtiger wird. Ich denke, mit Veränderungen sollte man aber immer erst mal bei sich selbst beginnen. Leute, die versuchen, große Themen anzupacken, aber mit sich selbst im Unreinen sind – ich glaube, das kann auf Dauer nur schiefgehen. Man sollte immer erst mal zur Ruhe kommen, nach innen schauen und dann die Dinge verändern. Das ist aber eine Erkenntnis, die ich auch erst in den letzten Jahren gewonnen habe. Das Missionieren sollte man lassen, denn wir leben alle in unterschiedlichen Realitäten. Das perfekte Leben gibt es nicht. Daher sollte man Leuten auch nicht versuchen zu erklären, wie das auszusehen hat. Beim Selbsterziehen gibt es bei den meisten von uns sicher auch beim Thema Klimaschutz noch viel Potenzial. Gut, dass das Thema auch mittlerweile in der Festivallandschaft angekommen ist, deswegen hat mich die Anfrage aus Mainz auch sehr gefreut. Vielen Dank für das Gespräch.
FRIZZmag präsentiert: Romano live @ „ZukunftsMucke Klimakonzert“ Sa., 17.6., 19 Uhr, „KUZ“ Open Air, Mainz (der Eintritt ist frei!) Weitere Infos unter: ZUR KÜNSTLER-WEBSEITE | ZUR KÜNSTLER FACEBOOK SEITE
©Marc Zumbansen