Seit 2003 ist Julian Bock in Darmstadt künstlerisch aktiv. Der studierte Diplom-Designer setzt mit seinen Wandgemälden und Graffitis ein kreatives Zeichen und gestaltet so das Stadtbild. Mit seinem neuen Projekt „Darmstädter Jugendstyle“ plant der Künstler, Gebäudefassaden neu zu gestalten, und ist nun auf der Suche nach Sponsor*innen. Im FRIZZ-Interview haben wir mit ihm über Kunst, Leidenschaft und Selbstfindung gesprochen.
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FRIZZmag: Dein neues Projekt hast du „Darmstädter Jugendstyle“ genannt – inwieweit hat der Jugendstil dich und deine Arbeit beeinflusst?
Julian Bock: Der Jugendstil hat mich schon immer inspiriert – deshalb habe ich unter anderem auch hier in Darmstadt studiert. Den Namen habe ich dann gewählt, weil ich in meine Arbeit den Jugendstil mit einfließen lasse. Zum Beispiel das Thema Natur oder typische Formen integriere ich. Und „Style“ kommt daher, dass meine Arbeit auch sehr graffitilastig ist.
Und wie ist die Idee zu dem Projekt entstanden?
Die Grundidee für „Darmstädter Jugendstyle“ ist schon vor sehr vielen Jahren entstanden: Mit meiner Arbeit könnte ich doch Fassaden verschönern. Vor allem solche, wo schon andere Graffiti-Schmierereien drauf sind, die, sagen wir mal, nicht so schön aussehen. Wenn solche Wände einfach neu gestrichen werden, wird wieder dran gesprayt. Wenn ich dann aber ein großes Bild male, wird das meistens respektiert. Ich habe schon viele Stellen in Darmstadt gefunden, an denen ich gerne arbeiten würde, zum Beispiel an dem Kleinschmidt-Steg an der Stadtbibliothek. Dort ist alles vollgeschmiert – manches mag ich, aber es ist einfach zu viel.
Findest du in der Stadt Anklang mit deiner Idee?
Bisher habe ich sehr positive Resonanz erhalten. Mit der Volksbank und mit Merck bin ich auch schon im Gespräch für Fördergelder. Jetzt geht es vor allem daran, Kontakte herzustellen und Leute zu finden, die ihre Fassade verschönert haben wollen – wie zum Beispiel eine Schule oder auch Privatgebäude. Außerdem suche ich noch Hilfe für den Aufbau meiner Website und für das Management – wer da Interesse hat, kann sich gerne melden.
Du bist schon lange in Darmstadt aktiv, hast hier sogar studiert – was fasziniert dich denn so an der Stadt?
Ich bin hier schon in der Gegend groß geworden und war früher öfter mal hier. In Darmstadt habe ich mich einfach wohlgefühlt. Und als ich dann zum Studium hierherkam, waren es vor allem die Menschen, die mich begeistert haben. Es ist eine junge Stadt, aber auch der Menschenschlag an sich: nicht so hochnäsig wie in Frankfurt. Hier leben viele ausgefallene Leute.
Wie kamst du zum Sprayen als deine Kunstform?
Das fing mit 17 an, als mich ein damaliger Freund auf dem Campingplatz gefragt hat, ob ich nicht was mit ihm sprayen will. Das war so ein Punk und der hatte ein paar geklaute Baumarktdosen. Danach habe ich mich dann mit dem Thema auseinandergesetzt, habe mir Bücher über Graffiti ausgeliehen und das hat mich dann richtig geflasht. Ab da habe ich erst mal ganz viel Graffitis gezeichnet – jahrelang. Ab und an habe ich dann auch angefangen, zu sprayen. Irgendwann war es mein bevorzugtes Mittel.
Und gab es Künstler*innen, die dich dabei inspiriert haben?
Am Anfang vor allem andere Graffiti-Künstler, die ich so auf der Straße oder in Magazinen gesehen habe. Das war dann aber auch das klassische Graffiti, von dem ich mit der Zeit immer mehr weggekommen bin. Mich hat dann mehr die Kunst und nicht nur Buchstaben interessiert, und da waren es dann verschiedene Künstler wie Hundertwasser, Klimt oder Picasso.
Vergangenes Jahr hast du dich dazu entschlossen, deine Zelte hier abzubrechen und mit dem Fahrrad ins Ungewissen aufzubrechen – wie war das für dich?
Auch das ist schon lange eine Idee von mir gewesen, ursprünglich aber ohne Fahrrad – einfach mal loszuziehen und zu schauen, was passiert. Durch meine Arbeit kam ich kaum zur Malerei und meine Beziehung beengte mich. Ich war an einem Punkt, an dem ich mich entscheiden musste, ob ich so alt werden will oder ob ich nochmal etwas wage. Da habe ich mich dann dazu entschieden, aufzubrechen. Es war schwer, das alles aufzugeben – ist ja schon ein Risiko. Aber ich habe mir gedacht: Das wird schon laufen. Ich muss das machen, sonst bin ich nie richtig glücklich. Die Woche, bevor ich aufgebrochen bin, in der ich keine Wohnung und Arbeit mehr hatte, war schon sehr schräg. Da habe ich wenig geschlafen und viel gedacht. Als ich dann aber den ersten Tag losgefahren bin mit dem Rad, war alles geil.
Wurde deine Kunst durch diese Erfahrung beeinflusst?
Ich habe gemerkt, dass ich durchaus von meiner Kunst leben kann, aber es hat in erster Linie was für mich gebracht. Dass ich gemerkt habe, wie sehr ich auf mein Bauchgefühl hören und darauf vertrauen kann. Ich wurde selbstbewusster. Als ich von der Reise wiederkam, wusste ich erst mal nicht, ob sie überhaupt schon zu Ende ist. Aber dann habe ich gemerkt, dass es genug ist, dass ich meine Erkenntnisse gesammelt habe. Jetzt habe ich Lust, ansässig zu werden in Darmstadt.
Wo kann ich denn hier in Darmstadt jetzt schon Kunst von dir bestaunen?
Zum Beispiel im Restaurant San Remo, wenn es wieder offen hat – da habe ich eine Wand neu gestaltet. Außerdem fast alles, was am Böllenfalltorstadion zu sehen ist, und die ersten beiden Bilder an der Wand gegenüber vom Friedhof an der Nieder-Ramstädter-Straße, wenn man aus der Innenstadt kommt.
ZUR WEBSITE
people.info
Julian Bock (38), gebürtig aus Dreieichenhain, lebt seit 2003 in Darmstadt, hat Kommunikationsdesign studiert und arbeitet seither als freischaffender Künstler und Diplom-Designer. 2019 brach er zu einer viermonatigen Reise durch Deutschland auf und gestaltete dabei unter anderem die Innenräume eines Amsterdamer Hotels. Mit seinem neuen Projekt „Darmstädter Jugendstyle“ plant er, Darmstadts Fassaden zu verschönern und so der Stadt etwas zurückzugeben.