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© Klaus Mai
FRIZZ Interview mit Morbus Gravis
Matthias Bauer, Marc Sauvage und André Stroh (v.l. nach re.)
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FRIZZ Interview mit Morbus Gravis
Bereits seit 20 Jahren existiert das Morbus Gravis und war von Anfang schon immer der „etwas andere Laden“. Getragen von großer Leidenschaft und einem starken Netzwerk hat sich das Darmstädter Tattoo- und Piercing-Studio als feste Größe im Rhein-Main- Neckar-Raum etabliert und freut sich über eine stetig wachsende Anhängerschaft. Dieser möchten die Macher des Studios, Matthias Bauer, Marc Sauvage und André Stroh nun am 07.05. mit einer großen Party in der Knabenschule „Danke“ sagen. FRIZZ - Das Magazin traf die Drei vorab zum Gespräch.
FRIZZ: Vor 20 Jahren wurde mit Morbus Gravis eines der ersten Tattoo Studios in Darmstadt eröffnet. Welche Erinnerungen habt Ihr an diese Anfangszeit?
Matthias: Damals war die Szene ziemlich überschaubar. Es gab drei oder vier Studios hier in der Gegend und für viele Leute war das Thema „Tattoo & Piercing“ noch Neuland. Beruflich hatte ich das Piercen erstmal gar nicht in Betracht gezogen. Ich hatte zunächst eine Ausbildung als Elektroniker gemacht und auch länger in dem Job gearbeitet, bis ich dann meine Leidenschaft zum Beruf gemacht habe und bei Morbus Gravis 1998 fest eingestiegen bin.
FRIZZ: Wie haben die Darmstädter auf das Studio reagiert? Bis zum „Tattoo Boom“ in den 90er Jahren haftete der Körperkunst eher ein zweifelhaftes Image an. Und es brauchte früher ja bekanntlich eine Weile, bis Trends aus den Metropolen überall ankamen.
Matthias: Dadurch, dass wir damals schon ziemlich fest in der Punk- und Musikerszene vernetzt waren, lief die Mundpropaganda für unser Studio von Anfang an sehr gut. Und auch die Geschäftsnachbarn und die Darmstädter allgemein haben unseren Laden von Anfang an sehr positiv aufgenommen. Da gab es keine Berührungsängste. Man muss allerdings auch sagen, dass wir uns damals auch in einer Art Umbruchphase befunden haben. Das Thema war irgendwann einfach nicht mehr so negativ besetzt. Das frühere „Knacki-Image“ von Tattoos hatte sich mit der Zeit erledigt.
FRIZZ: „Morbus Gravis war von Anfang an kein normaler Laden und immer mehr als nur Business“ habt ihr gesagt. Was macht Morbus Gravis für Euch aus? Ist das eine Art Familienersatz?
Marc: Da entstehen auf jeden Fall engere Bindungen. Wir haben viele Stammkunden und man freut sich immer, die wiederzusehen. Und es ist schön, zu sehen, dass nach wie vor viele neue Leute auf Empfehlung zu uns kommen. Das hier ist auf jeden Fall eine ganz eigene Art von Arbeit.
Matthias: Die Leute sind ja auch oft für eine ganze Weile hier. Da unterhält man sich natürlich und lernt sich kennen. Natürlich baut sich da mit der Zeit auch etwas auf. Über die Jahre kommen mittlerweile sogar die Kinder unserer Kunden und lassen sich Piercings machen.
Marc: Darmstadt ist meiner Meinung nach auch generell eine ziemlich familiäre Stadt, das spüren wir auch hier im Laden immer wieder. Das Familiäre steht klar im Vordergrund.
FRIZZ: Recht familiär mutete auch das „Kombinat“ an, eine Art „Ladengemeinschaft“ in der Rheinstraße, die ab 1999 für einige Jahre Eure Heimat wurde. Was war die Idee dahinter?
Matthias: Das „Kombinat“ wurde auf Initiative von Marcus van der Kolk vom Grow Shop eröffnet. Er hatte uns damals gefragt, ob wir mit einziehen möchten, und uns gefiel die „Shop in Shop“-Idee auf Anhieb. Das Konzept wurde ja auch sehr gut angenommen. Neben dem „Comic Cosmos“ waren dort noch der Modeladen „P2“ und ein großes Internetcafé, damals ein ziemliches Novum in Darmstadt, untergebracht. Das „Kombinat“ war ein toller Treffpunkt und das Projekt hat uns allen sehr viel Spaß gemacht. Doch manche Läden konnten sich nicht dauerhaft halten. Es wurde schwer, neue Mieter zu finden, die zum Konzept gepasst hätten. Und auf Handyläden oder ähnliches hatten wir alle keine Lust. Deswegen hat sich das Kombinat nach über zehn Jahren nach und nach leider wieder aufgelöst.
FRIZZ: In 20 Jahren hat sich auch Darmstadt sehr stark verändert. Darmstadt 1996 - das war: kein Carree, kein Darmstadtium, kein Schlossgrabenfest. Dafür gab es noch das Café Kesselhaus und die Krone war überaus angesagt. Wie hat sich Darmstadt aus Eurer Sicht entwickelt?
Marc: Manche Veränderung ist vielleicht nicht so ganz geglückt. Aus dem Darmstadtium hätte man meiner Meinung nach sicher noch etwas mehr herausholen können. Von Außen grottenhässlich und was innen passiert, ist auch nicht gerade so der Knaller. Dass man zu Läden wie dem Kesselhaus keine wirklichen Alternativen aufgebaut hat, ist echt schade. Ob das 603qm in dem neuen Glasbau sein altes Flair wieder aufleben lassen kann, bleibt abzuwarten. In Darmstadt sollte man darauf achten, solche Orte besser zu bewahren und nicht nur durch irgendwelche Cocktailläden und Shisha-Bars zu ersetzen. Aber diese Art von „Fortschritt“ lässt sich ja nicht nur in Darmstadt beobachten.
FRIZZ: Heute gibt es eine Vielzahl an Tattoo-und Piercing Studios in Darmstadt und dem Rhein-Main-Gebiet. Das klingt nach ziemlich viel Wettbewerb. Wie geht Ihr damit um?
Matthias: Indem wir einfach auch weiterhin sehr gute Arbeit leisten. Denn das ist nach wie vor die beste Werbung. Natürlich gibt es mittlerweile auch durch das Internet viele Leute, die permanent Preise vergleichen und nach günstigen „Specials“ schauen, aber das berührt uns eher weniger. Wir bieten ein Rundum-Paket mit umfassender Beratung und auch der entsprechenden Nachsorge, und das hat seinen Preis.
Marc: Mittlerweile bekommt man auch das ganze Tattoo-Equipment für sehr schmales Geld über das Internet. Da gibt es so Starter-Kits für 30 Euro und leider auch Leute, die sich dann von irgendwelchen „Hobby-Tätowierern“ privat verschandeln lassen. Es geht leider oft um den Preis. Und da möchten wir einfach nicht mitmachen und setzen auf Kunden, die unsere Arbeit und ihre Qualität zu schätzen wissen.
André: Ich würde deswegen auch nicht unbedingt empfehlen, das Studio nur nach dem günstigsten Preis auszusuchen, sondern danach, ob man sich gut beraten fühlt und Vertrauen in die Arbeit des Tattoo-Künstlers hat. Oft spielt auch der Stil eine Rolle. Nicht jedes Tattoo-Studio bietet auch jede Art von Tätowierung an. Da gibt es sehr viele unterschiedliche Vorlieben. Von daher besetzt jedes Studio auch ein Stück weit seine eigene Nische und der Konkurrenzdruck hält sich in Grenzen.
FRIZZ: Über die Jahre habt ihr hunderte, wenn nicht tausende Tattoo- und Piercing-Wünsche erfüllt. Welche Wünsche sind Euch da am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben?
Marc: Schwierige Frage. Da hat sich über die Jahre das Spektrum enorm erweitert, denn es gibt immer wieder Wünsche, die es noch nicht gab. Von daher bin ich gespannt, wie sich das in der Zukunft noch weiter entwickeln wird.
André: Dadurch, dass Tattoos nicht mehr dieses verruchte Image anhaftet, ist der Bereich auch für viele andere Künstler ziemlich interessant geworden. Das bringt auch sehr viele neue Einflüsse in die Szene.
Marc: Aber im Grunde sind es auch gar nicht so sehr die Motive, die in Erinnerung bleiben, sondern die Menschen, die man trifft. Und da haben wir über die Jahre schon echt ein paar „Unikate“ treffen dürfen. Die Menschen sind das Spannendste.
FRIZZ: Nicht nur Tattoo-Träger, sondern auch der Körperschmuck selbst ist in die Jahre gekommen. Nicht wenige bereuen heute ihr „Arschgeweih“ oder ähnliches. Sogenannte „Cover ups“ sind ein großes Thema mittler-weile.
André: Stimmt. Es kommt auch bei uns immer wieder vor, dass die Leute ein altes Tattoo „überstechen“ lassen möchten. Wie aufwendig das wird, hängt natürlich auch vom Kunden ab und seiner Geduld ab. Das kann mitunter sehr zeitintensiv sein und ist nicht unbedingt in einer Sitzung zu machen.
Marc: Wenn wir da bei einem verunglückten Tattoo helfen können, machen wir das natürlich gerne. Man muss den Leuten aber auch ehrlich sagen, was machbar ist und was nicht. Man kann nicht immer alles mit allem covern. Ein schwarzes Tribal lässt sich nun mal schlecht mit einer rosafarbenen Fee überdecken.
FRIZZ: Ein Cover up sollte eigentlich gar nicht notwendig sein, wenn man sich mit seiner Motivwahl absolut sicher ist. Wo seht Ihr Eure Rolle hierbei?
Marc: Wie schon gesagt, beraten wir unsere Kunden im Vorfeld sehr ausführlich. Ich finde in diesem Zusammenhang leider diese Tattoo-Sendungen im Fernsehen auch nicht gerade hilfreich. Erst kommt „Miami Ink“ und zeigt, wie toll Tattoos sind und wie easy das alles geht und jetzt gibt es diese „Cover Up“ Sendungen und suggerieren, dass man auch miese Tattoos wieder ganz toll hinbekommen kann. Dabei ist es eigentlich in erster Linie nur wichtig, dass sich der Kunde im Vorfeld Gedanken macht und der Tattoo-Künstler ihn gut berät.
Matthias: Dazu gehört auch, dass man hin und wieder mal nein sagt, wenn sich ein Motiv beispielsweise in der gewünschten Größe nicht gut umsetzen lässt oder man einfach merkt, dass der Kunde sich nicht wirklich sicher ist.
FRIZZ: Am 07.05. begeht Ihr das 20jährige Bestehen Eures Studios mit einer großen „Thank You“-Party in der Knabenschule. Was erwartet die Leute?
Matthias: Nach der „Kombinatsparty“ vor einigen Jahren hatten wir einfach mal wieder Lust, eine Party zu machen und das 20-Jährige ist ein guter Anlass hierfür und gibt uns die Möglichkeit, den Kunden und unseren Freunden, die uns hier über die Jahre so toll unterstützt haben, „Danke“ zu sagen. Live werden unsere Freunde von den Satelliters, Phased und Jancee Pornick Casino spielen und DJ Panda wird auflegen. Und die Vegano-Crew wird mit ihrem Food Truck am Start sein und vegane Goodies anbieten und an unserer Bar wird’s neben „Special Drinks“ auch leckeres Bier von der Weschnitztaler Microbrauerei aus dem Odenwald geben.
FRIZZ: Vielen Dank für das Gespräch.
Morbus Gravis „20-Years-Thank You-Party“, Samstag, 07.05., 20:00 Uhr, Bessunger Knabenschule (Halle), Darmstadt