Auf seinem Debütalbum „Nimmi Normal“ erzählt Sänger und Songschreiber Tim Mayer als „Gringo Mayer“ überaus illustre, schwarzhumorige Geschichten – in Pfälzer Mundart! Dass die indie-bluesigen Songs des Mannheimers auch bundesweit immer mehr Fans finden, belegen seine letzten Konzertreisen u. a. im Vorprogramm des Hamburger Indie-Rockers Thees Uhlmann. FRIZZmag hat Tim Mayer zum Gespräch getroffen. FRIZZmag: Mit deiner früheren Band „Die Felsen“ wart ihr 2014 in der Rhein-Main-Neckar-Region in aller Munde, wurdet als großer Geheimtipp gehandelt und habt die Leute bei grandiosen Clubshows oder auch auf der „Hessentag“-Bühne in Bensheim vor 10.000 Fans begeistert. Jetzt bist du solo unterwegs. Was ist passiert? Tim Mayer: Wie's halt so geht. „Die Felsen“ waren meine Jugendband und irgendwann ist so eine Jugend halt vorbei und jeder geht seiner Wege. Aber schon damals war ich immer so der Typ in der Mitte, der alles am Laufen gehalten hat, habe das aber immer nur aus der Bandperspektive gesehen. Das war allerdings nicht immer einfach. Heute als Solokünstler fühle ich mich wohler, weil ich letztlich das Sagen habe und selbst bestimmen kann, wo es langgeht. Aber diese Selbstfindung als Künstler hat einige Jahre gedauert. Ich musste mir erst mal klar werden, wo ich hin möchte mit mir und meiner Musik. 2015 bekam ich dann das Angebot, für einen Film über Mannheim einen Song zu schreiben, allerdings mit der Vorgabe, ihn in Kurpfälzischer Mundart zu texten. Das lief auch erstaunlich einfach, allerdings war mir das Stück im Nachhinein etwas zu plump, weil es irgendwie zu viele Klischees bedient hat, die es so über Songs in Dialekt gibt. Ich wollte das eigentlich bei diesem einen Ausflug in die Mundart belassen, aber irgendwie blieb das im Hinterkopf. Drei Jahre später, ich habe damals in einer Schwarzwaldhütte in der Nähe von Freiburg gewohnt, habe ich irgendwann nachts „Viel zu arg“ geschrieben und da ist irgendwie der Knoten geplatzt und ich hatte mein Ding gefunden. Ab da ging mir das Songschreiben in Mundart ganz leicht von der Hand. Du nennst dich jetzt „Gringo Mayer“. Wie bist du zu deinem Künstlernamen gekommen? Mit dem Namen war ich schon früher mit einer neuen Band unterwegs. Wir haben da versucht, so ein bisschen einen auf „War On Drugs“ zu machen, aber so richtig aufgegangen ist das nicht. Als ich dann in Freiburg war, habe ich Freunde wiedergetroffen, mit denen ich auch ins Studio gegangen bin, und da habe ich dann auch die ersten Mundart-Songs als „Gringo Mayer“ aufgenommen. Ich hatte Dialekt-Songs schon bei anderen Künstlern, wie „Voodoo Jürgens“ gehört und fand, dass diese Lieder durch den gesungenen Dialekt einen ganz besonderen Klang bekommen haben. Das wollte ich auch machen, also habe ich es einfach versucht und es hat sich von Anfang an gut angefühlt. „Gringo Mayer“ ist eine Kunstfigur. Wie viel steckt von Tim in „Gringo“? „Gringo Mayer“ ist eine Person, die in meinem Privatleben nix zu suchen hat, weil sie da immer Scheitern würde. Aber ich kann sie ganz wunderbar auf der Bühne und in meinen Videos aufleben lassen, denn genau da passt sie hin. Und ich finde das super! Denn als Tim fand ich es immer schwierig, das ganze Persönliche und Private mit auf die Bühne zu nehmen. Das hat mich immer sehr gehemmt. Als „Gringo“ mache ich mich schick, leg den Schalter um und gehe auf die Bühne. Und genau diese Verwandlung gibt mir die Kraft, die ich auf der Bühne brauche. Und auch fürs Publikum finde ich es gut, dass da jemand ist, der auf der Bühne zu hundert Prozent in seinem Element ist und seinen privaten Kram in der Garderobe lässt. Ich will entertainen! Deswegen war die Idee, einen kleinen Teil von Tim zu „Gringo“, der Kunstfigur, werden zu lassen, ein Volltreffer. Deine Songs handeln von Außenseitern, Drogen, Fußball und den nervigen Nachbarn und zeichnen sich durch eine schwarzhumorige Note aus. Wie kommst du auf deine Texte, woher kommen deine Inspirationen? Gute Frage. Ich schreibe schon so lange und weiß bis heute nicht genau, was da passiert. Was ich weiß: Jetzt habe ich keinen Song und irgendwann habe ich einen. Was dazwischen passiert ist, kann ich gar nicht richtig reflektieren. Das schlummert einfach in mir und kommt dann raus. Aber was ich auf keinen Fall mache, ist Songs zu konstruieren. Ich schreibe nicht mit dem Kopf, sondern immer aus dem Bauch raus. Du bist eng mit der Rhein-Neckar-Region und den Schwesterstädten Ludwigshafen und Mannheim verbunden. In Ludwigshafen bist du geboren und aufgewachsen, in Mannheim lebst du jetzt. Inwieweit haben dich diese Städte und ihre Menschen beeinflusst? „Gringo Mayer“ schaut immer von unten nach oben, so ist sein Blick auf die Welt. Das war auch immer mein Blick als Ludwigshafener auf den anderen Teil der Welt. Vor allem nach Mannheim. Bei uns ging nix und da drüben eine ganze Menge! Das war kein einfacher Weg dort, gerade als Mensch mit künstlerischen Ambitionen. Trotzdem war für mich immer klar, wo ich herkomme. Ich bin nicht nach Berlin oder so und habe einen auf Großstadt gemacht. Ich bin da immer ehrlich zu mir geblieben. Und so ist auch dieser Blick von unten nach oben, obwohl ich eigentlich ein ganz normales Mittelstandskind bin, immer geblieben. Auf dem Gymnasium war ich der Underdog und zu Hause gab's von den Arbeiterkids Dresche, weil ich in deren Augen was Besseres war. Dieser Zwiespalt hat mich sehr beeinflusst. Und Musik und meine Songs waren für mich immer eine Möglichkeit, diese unterschiedlichen Gesellschaftsschichten zusammenzubringen. Und jetzt, mit den Mundart-Songs, funktioniert das auch so richtig gut! Zumindest hier in der Region bringt das mittlerweile viele Leute zusammen. Dein Pfälzer Dialekt übt auf viele einen großen Charme aus. Künstler wie der Hamburger Thees Uhlmann, den du auf Tour begleiten durftest, sind große Fans deiner Songs. Richtig verstanden wird das Pfälzerische aber nur von wenigen. Als Kind habe ich noch Dialekt gesprochen. Mein Vater hat mit uns Kids an Fastnacht immer Sketche aufgeführt und die waren meistens in Mundart. Ich fand das furchtbar und wollte das nie wieder machen. Als wir dann mit den „Felsen“ angefangen haben, wollte ich dann logischerweise so hanseatisch wie möglich klingen und habe mir die Mundart abgewöhnt. Das ging aber auch nicht von heute auf morgen. Die Leute meinten am Anfang, dass das scheiße klingt, weil man immer noch den Dialekt raushört. Schlussendlich habe ich mich aus verschiedenen Gründen für den Dialekt entschieden, aber eine wesentliche Motivation war der Wunsch, mich von anderen deutschsprachigen Singer-Songwritern abzuheben. Und ich kann wesentlich befreiter in Mundart schreiben. Im Dialekt finde ich die richtige Balance aus Humor und Augenzwinkern, aber auch Ernst, wahren Gefühlen und Gesellschaftskritik. Rainer Ott, einer der Chefs von „Grand Hotel van Cleef“, hat mal zu mir gemeint: „Man muss Sprache zum Klingen bringen, dann hat man's gepackt“. Das sehe ich auch so und es war ein langer Weg, diesen Dialekt so zum Klingen zu bringen, dass es mich und die Leute bewegt. Künstler, die Mundart singen, sind seit einigen Jahren wieder sehr angesagt, vor allem Austropop-Künstler wie der schon erwähnte "Voodoo Jürgens" oder „Der Nino aus Wien“, die auch hierzulande für ausverkaufte Hallen sorgen. Woran liegt das deiner Meinung nach? Das liegt auch an den Typen und wie sie rüberkommen. Man muss ja nicht jedes Wort verstehen und checkt trotzdem jede Menge über andere Signale. Das merke ich auch bei meinen Konzerten. Als ich zum Beispiel in Leipzig vor „Kettcar“ solo gespielt habe, hat nach Aussage der Besucher:innen keiner ein Wort verstanden und trotzdem haben sie mir alle Platten abgekauft, die ich dabei hatte. Irgendwie funktioniert's. Aber das geht mir beispielsweise mit englischsprachiger Musik auch so. Da achte ich auch nicht immer auf den Text. Bei „War On Drugs“ verstehe ich auch nicht immer, was der da nölt, und trotzdem berühren mich deren Songs total. Es ist ja Musik und kein Poetry Slam. Und Musik funktioniert einfach auf ganz vielen Ebenen. Seit du in dieser Mundart-Szene drin bist, haben sich deine Hörgewohnheiten deutlich verändert. Wie erklärst du dir das? Das ist, wie wenn du das erste Mal Käse probierst und zunächst bei Butterkäse bist. Der schmeckt gut, aber mit der Zeit möchtest du immer mehr von diesem Käsegeschmack und probierst auch Roquefort oder Munsterkäse und andere intensive Sachen. Und so ging's mir mit der Mundart-Musik. Vom Hochdeutschen bin ich zu den österreichischen Sachen gekommen und wollte irgendwie immer derbere Sprache bzw. Dialekt-Songs hören. Das war so eine Findungsphase, bei der ich aber auch recht schnell an Grenzen gestoßen bin, weil es in der zeitgenössischen Musik in dieser Richtung gar nicht so viel gibt. Seit ich selbst Songs in Mundart schreibe, fokussiere ich mich aber ohnehin primär auf meine eigenen Sachen. Deine Karriere geht gerade gut nach vorne: Dein 2021 erschienenes Debütalbum „Nimmi normal“ erhält beste Kritiken und du spielst mittlerweile regelmäßig auch Gigs außerhalb deiner Heimat, beispielsweise beim 20-jährigen Jubiläum des Kultlabels „Grand Hotel van Cleef“ in Hamburg. Wie sehen die nächsten Schritte aus? 2022 war ein supergutes Jahr mit vielen Konzerten und jeder Menge tollem Feedback. Und das kommende Jahr soll natürlich da weiter ansetzen. Seit einiger Zeit ist schon eine Mockumentary über „Gringo Mayer“ im Gespräch, wann die aber gedreht wird, ist noch offen, weil wir noch die Finanzierung checken. Das nächste Album ist allerdings schon recht weit. Wir sind gerade am Mixen und im Mai soll die Platte erscheinen und dann sollen jede Menge Konzerte folgen. Vielen Dank für das Gespräch. ZUR WEBSEITE | ZUR FACEBOOK-PAGE
FRIZZmag präsentiert: Gringo Mayer live! Fr., 20.1., 19:30 Uhr, Schlachthof, Wiesbaden