Bereits seit 2012 findet im „Schlachthof Wiesbaden“ jedes Jahr die „Tapefabrik“ statt und hat sich mittlerweile als größter Hip-Hop-Jam des Landes etabliert. Nachdem die zwölfte Auflage im vergangenen Jahr ein fulminantes Programm präsentierte, legen die Veranstalter:innen 2024 mit über 30 Acts, darunter Größen wie der Hamburger Rapper „Kwam.E“, und der neuen Hip-Hop Convention „taped!“ amtlich nach. FRIZZmag hat „Tapefabrik“-Veranstalter Maximilian Schneider-Ludorff zum Gespräch getroffen.
FRIZZmag: Nachdem ihr auch im vergangenen Jahr wieder mit der „Tapefabrik“ ein Riesenevent im „Schlachthof“ veranstaltet habt, setzt die diesjährige Auflage mit über 30 Künstler:innen und der neuen „taped!“-Convention sogar noch einen drauf! Wie schafft ihr das logistisch, an einem Tag drei Bühnenprogramme und eine Hip-Hop-Konferenz zu stemmen? Das erfordert schon jede Menge Organisation.
Max: Dass das alles an einem Tag stattfindet, erhöht die Komplexität gar nicht so sehr. Wir können das gut stemmen, weil wir ein sehr großes Team sind. Wir haben fast vierzig ehrenamtliche Helfer:innen, die unser Festival das ganze Jahr über organisieren und vorbereiten, sehr basisdemokratisch und gemeinsam, und mit dieser gebündelten „Man- & Woman-Power“ schaffen wir das. Die große Neuerung in diesem Jahr ist die von dir bereits angesprochene „taped!“ – die erste deutsche Hip-Hop- und Rap-Convention im deutschsprachigen Raum.
Inwiefern unterscheidet sich ein Hip-Hop-Event wie die „Tapefabrik“ von klassischen Musikfestivals der Region wie z. B. dem „Trebur Open Air“? Bei 30 Bands an einem Tag wäre ein Festivalpublikum wohl überfordert. Bei der „Tapefabrik“ scheint das für die Fans kein Problem zu sein.
Ich denke, der entscheidende Unterschied ist, dass wir bei der „Tapefabrik“ kein klassisches Artist-Fan-Verhältnis haben. Es gibt also nicht dieses „vor und auf der Bühne“, sondern das vermischt sich bei uns total. Alle unsere Besucher:innen machen Beats, rappen oder schreiben bzw. bloggen oder sind anderweitig in der Hip-Hop-Szene aktiv. Die Leute auf der Bühne sind das natürlich sowieso und dadurch besteht bei allen Besucher:innen und Teilnehmenden der „Tapefabrik“ gewissermaßen ein Verhältnis auf Augenhöhe. Die vielen Acts an einem Tag sind also kein Problem, weil es nicht unbedingt darum geht, seinen Artist zu sehen, sondern einfach übers Gelände zu laufen und überall Acts mitzubekommen, die einem in der Regel bereits bekannt sind. Die „Tapefabrik“ ist eher ein Jam als ein Festival.
2024 veranstaltet ihr im Rahmen der „Tapefabrik“ erstmals mit „taped!“ eine ganztägige Hip-Hop-Convention mit Gesprächen, Live-Podcasts, Workshops und vielem anderen mehr. Wie kam’s zu der Idee?
Es gibt zwei parallele Entwicklungen, die uns zu der Überzeugung gebracht haben, dass es diese Convention braucht. Zum einen hat sich deutschsprachiger Hip-Hop vor allem in den letzten Jahren sehr deutlich zu einem eigenständigen Genre entwickelt, das auch ganz eigene wirtschaftliche Kräfte hat. Zum anderen merken wir, dass die „Tapefabrik“ immer mehr zum Mittelpunkt für viele Akteur:innen dieses Genres geworden ist. Deswegen waren und sind wir überzeugt, dass es Sinn macht, die Veranstaltung um diese Convention zu erweitern.
Bei der „Tapefabrik“ wird auch sehr auf Fairness und Nachhaltigkeit geachtet: Ein Deal mit der „Deutschen Bahn“ bietet günstige Tickets für eure Besucher:innen und ihr bietet Fahrten mit „Tapejam“-Fanbussen für schmales Geld an.
Stimmt. An der Stelle macht es auch Sinn, mal den „Schlachthof Wiesbaden“ mit ins Spiel zu bringen, der für uns nicht nur Partner, sondern auch Heimat ist. Wir haben den Anspruch, für Wiesbaden und Hessen ein Event zu schaffen, das vor allem für Jugendliche nutzbar ist, daher müssen wir möglichst viele Barrieren vermeiden. Das heißt, der Preis muss so niedrig wie möglich sein, die Anreise muss so einfach wie möglich sein und damit erfüllen wir meines Erachtens auch ein Stück weit den Auftrag, den der „Schlachthof“ für die Stadt Wiesbaden hat. Und daher ist das „Schlachthof“-Team auch recht froh, dass die „Tapefabrik“ auch eine Funktion für die Stadt Wiesbaden erfüllen kann. Und wir ebenso, denn Wiesbaden ist schon unser Zuhause.
Ihr hattet bereits in den vergangenen Jahren immer schon ein gutes Gespür für kommende Acts: „Haftbefehl“, „Zugezogen Maskulin“, „BlabberMouf“ waren alle schon früh bei euch zu Gast. Mit „Kwam.E“ und „Das Internet“ habt ihr auch dieses Jahr wieder große Acts am Start. Wie kommt ihr an solche Künstler:innen? Passt da einfach das Timing oder hilft euch da eure gute Reputation in der Hip-Hop-Szene?
Dazu muss man sagen, dass unser Team einfach sehr kompetente Mitglieder hat. Viele von uns arbeiten auch in ihren normalen Jobs in der Hip-Hop-Branche, beispielsweise als A&R-Manager für Plattenlabels. Die arbeiten quasi jeden Tag mit Newcomer:innen und kennen den Markt daher sehr gut. Deren Wissen ist natürlich von großem Vorteil für uns. Auch dieses Jahr haben wir wieder jede Menge Artists zu Gast, von denen wir denken, dass sie in den nächsten ein bis zwei Jahren richtig groß werden. „Jace“ zum Beispiel, der gerade mit „Dexter“ ein neues Album herausgebracht hat. Das ist sein erstes Release, aber wir sind sicher, dass das komplett durch die Decke gehen wird. Aber auch Artists wie „DEA BBZ“ oder „Marnele“ sind ganz neu dabei und spielen bei uns mitunter ihre ersten Auftritte. Die haben alle das Zeug, richtig groß zu werden.
Bei genauerer Betrachtung des Line-ups fällt allerdings auf, dass ihr größtenteils deutsche Künstler:innen präsentiert. Warum sind so wenige internationale Rapper bei der „Tapefabrik“ zu Gast?
Weil wir uns primär als Sprachrohr für die deutschsprachige Hip-Hop-Kultur verstehen. Das bedeutet nicht, dass wir anderssprachige Acts von vorneherein ausschließen, aber wir buchen schon vornehmlich Künstler:innen aus dem Deutschrap-Bereich.
Das Team der „Tapefabrik“ organisiert nicht nur das Festival, sondern ist auch ziemlich multimedial aufgestellt. Erzähl doch mal, was die „Tapefabrik“ sonst noch so macht. Kommt es da auch zu Koops mit den Künstler:innen, die über das Festival hinausgehen?
Tatsächlich liegt unser Hauptaugenmerk schon auf dem Festival. Es gibt da allerdings auch immer so ein paar Nebenschauplätze. In diesem Jahr haben wir beispielsweise drei große Wettbewerbe veranstaltet, unsere Rap-, Beat- und Scratch-Contests, bei denen insgesamt über 1.000 Teilnehmer:innen mitgemacht und die unterschiedlichsten Beiträge eingereicht haben. Ansonsten arbeiten wir noch mit verschiedensten Podcasts, wie dem Podcast der „Backspin“ (DAS Hip-Hop-Medium in D, A, CH, Anm. d. Red.) oder dem „Zwischendurch-Podcast“ zusammen, mit denen wir unterschiedliche Formate veröffentlichen. Da passiert schon noch so einiges, aber das meiste steht im Kontext zur „Tapefabrik“.
Spätestens seit dem Mega-Erfolg von Acts wie „RAF Camora“, „Bonez MC“, „Kontra K“ oder „Apache 207“ ist klar: Hip-Hop ist der neue Pop und dominiert die Charts wie kaum ein anderes Genre. Bedauernswerterweise stehen nicht wenige dieser neuen Superstars für Heteromachismo und Homophobie. Wie siehst du die Entwicklung und wie geht die „Tapefabrik“ damit um?
Für uns ist das genau einer der Gründe, warum es diese „taped!“ so dringend braucht: diese Entwicklung transparent zu machen! Darüber zu sprechen, was das mit uns als Gesellschaft, vor allem der Jugendkultur macht, wenn solche Bilder in der Form propagiert werden – das ist genau die Aufgabe, die im Rahmen dieser Convention erfüllt werden soll. Wir haben uns seit vielen Jahren politisch sehr klar positioniert und haben eine sehr klare, antidiskriminierende Haltung und haben uns im Rahmen der Keychange Pledge verpflichtet, eine Geschlechtergleichheit auf unseren Bühnen zu garantieren (die Keychange Pledge ist Teil der internationalen Gleichberechtigungsinitiative, die Gender-Ausgeglichenheit im Line-up anstrebt, Anm. d. Red.). Seither werden wir auch von außen als sehr politisches Projekt wahrgenommen und ein Stück weit „Sprachrohrfunktion“ in dieser Sache für die Szene übernommen. Auf dem Hamburger „Reeperbahn Festival“ (die größte Pop-Convention Deutschlands, Anm. d. Red.) haben wir im vergangenen Jahr gespürt, dass diese Themen akut sind, und wir wurden auch von vielen Leuten auf unser Engagement angesprochen. Aber Themen wie Geschlechtergleichheit, Diskriminierung oder rechte Tendenzen in der Musikindustrie werden dort nicht oder nur unzureichend besprochen. Deswegen hatten wir das Gefühl, unserer Verantwortung als Sprachrohr gerecht werden zu müssen und eine Plattform zu schaffen, auf der diese Themen besprochen werden. Und diese Plattform ist nun die „taped!“.
Die „Tapefabrik“ hat sich über die Jahre zu einem überaus angesagten Event in der Szene entwickelt, das weit über Wiesbadens Grenzen hinaus bekannt ist. Gibt es Überlegungen, die „Tapefabrik“ zu erweitern? Immerhin wächst die Nachfrage konsequent von Jahr zu Jahr. Wie wäre es mit einem Sommer-Open-Air wie dem „Splash“?
Wir sind ein ehrenamtliches Team, das schon mit der Organisation des Festivals und der Convention das ganze Jahr über alle Hände voll zu tun hat. Wenn wir das Ganze größer machen wollten, müssten wir es deutlich kommerzialisieren. Das möchten wir nicht, weil wir denken, dass das den Charakter der Veranstaltung verändern würde. Klar, Überlegungen, das Festival zu erweitern, gibt es schon immer wieder mal, aber gegenwärtig liegt unser Fokus darauf, die „Tapefabrik“ in dem schönen, boutiquemäßigen Stil zu belassen, der sich etabliert hat.
Vielen Dank für das Gespräch.
Spenden für die „taped!“
Die „taped!“-Kulturkonferenz wird durch Spenden finanziert, daher freuen sich die Veranstalter:innen über euren Support! Spenden kann man als Privatperson, Verein oder Unternehmen vor Ort oder unter dem Betreff „taped!“ oder „Tapefabrik“ wie folgt:
Spendenkonto: Kulturzentrum Schlachthof Wiesbaden e.V.
DE47 510 500 150 277 0078 52
Oder direkt an: spenden@schlachhtof-wiesbaden.de
Spendenbelege unter: rechnung@schlachthof-wiesbaden.de
Mehr Informationen findet ihr hier.
FRIZZmag verlost 3x2 Tickets für die „Tapefabrik“ im „Schlachthof Wiesbaden“ am Sa., 8.6., 15 Uhr!
Bitte sende eine E-Mail mit deinem vollständigen Namen und Kontakt an verlosung@frizzmag.de. Betreff: „Tapefabrik“
Einsendeschluss: 4.6.2024. Die Gewinnbenachrichtigung erfolgt per E-Mail.