Er brennt für die Musik. Die meiste Zeit verbrachte Benjamin Brust, genannt Benni, bisher mit Bands, in Studios, mit Musikmachen, „auch über eine App am Handy“. Der Rap ist sein Ding, er spielte mit dem Darmstädter Manges, arbeitete mit Azad, mit dem er auch zwei Alben aufnahm, war Mitglied in der Punk-Band Sodden Squirrels und denkt und fühlt wie die Hip-Hop-Formation Baggefudda. Ausgebildet als Toningenieur ist er freilich auch immer gefragt, wenns um die Technik geht. „Ich studierte Audio-Engineering“, betont Benni, deshalb werde er immer mal wieder angeheuert, um Musik zu produzieren, wie er erzählt. In Berlin, wo er sich ausbilden ließ und sieben Jahre lebte, war er zwischendrin sogar auch schon mal beim Film als Kulissenbauer engagiert. Doch der 1977 in Darmstadt geborene Benni erlebt auch anderes, bittere Situationen, in denen er nicht gebraucht oder gefragt wurde, und er es durch unüberlegte Taten mit der Polizei zu tun bekam. „128 Anzeigen und 256 Arbeitsstunden wegen Graffiti-Schmierereien.“ Dann lebte er lange auf der Straße: „Fünf Jahre lang hatte ich keine Wohnung, übernachtete mit meiner Ex-Freundin in leerstehenden Gebäuden.“ Frei heraus berichtet er, wie er am Osthang hauste oder in einem Kellerraum eines verlassenen Kindergartens eine Bleibe fand, die sich die beiden etwas wohnlich einrichteten. Er schwärmt richtiggehend von diesem Ort als einen filmreifen „lost place“. Seine feste Wohnung verlor er, weil er damals zu laut mit seiner Freundin stritt, zu viel Alkohol im Spiel war und er auch sein Musikstudio in seinen eigenen vier Wänden betrieb. Durch sein unüberlegtes Verhalten und die Lautstärke gab es Probleme mit den Mitbewohnern im Haus, und Benni musste ausziehen. Die Obdachlosigkeit, die dann folgte, war ein sehr harter Einschnitt, wie der Darmstädter eingesteht. Dann bekam er lebensgefährliche, gesundheitliche Probleme. „Ich hatte ein Abzeß in der Lunge, fiel ins Koma.“ In den über drei Monaten Krankenhausaufenthalt machte er sich viele Gedanken. „Das Schlimme war, dass ich wegen der Coronazeit keinen Besuch bekam.“ 43 Kilogramm wog er nur noch und trug durch diese Lungenkrankheit eine Bronchitis sowie eine Allergie davon. Seit einiger Zeit lebt er nun alleine, und erinnert daran, wie schwer es ist, vor allem ganz alleine auf der Straße zu leben: „Da fühlst Du Dich schnell einsam.“ Diese Zeit habe ihn geprägt. Mittlerweile habe er wieder einen guten Kontakt zu einigen Freunden und auch zu seiner Mutter. „Ich bin auch ruhiger geworden, gehe sehr viel spazieren.“ Auf seinen Streifzügen durch die Viertel findet er immer tolle Sachen, die vor Häusern zum Verschenken liegen. Benni schaut auf sein Handgelenk, wo er eine goldene Casio-Uhr trägt. „Die habe ich gerade erst in einer Geschenkebox entdeckt.“ Über solche zufälligen Dinge kann er sich riesig freuen. Gekauft habe er sich schon einige Jahre nichts mehr, sagt er. Mittlerweile ist er mit seinen Bildern gefragt, denn Benni malt schon von Jugend an. Doch erst in letzter Zeit hat er dieses Hobby intensiviert und damit ausgebaut. Weil die neue Einzimmerwohnung sehr hellhörig ist, musste er sich was anderes überlegen, als Musik zu machen. So fing er wieder mit dem Malen an. Abends, wenn er die Gegend inspiziert, findet er nicht nur Klamotten, sondern auch Utensilien, die er braucht, um Bilder herzustellen. Er bekommt auch mal Farben geschenkt. Dann debütierte er im Johannesviertel beim Jubiläumsfest der Teestube an der Alicenstraße, wo Benni immer mal zu Gast ist. „Dort gibt es so viele liebe Menschen.“ Er fragte an, ob er seine Bilder dort ausstellen könne und durfte: Das viele Lob spornt ihn an, weiter- und weiterzumachen. So hatte er im August gleich zwei weitere Ausstellungen, jeweils 30 Bilder hingen im Pädagog, danach im Hoffart. Das Malen macht ihm viel Freude: Hauptsache irgendwie kreativ sein, ist seine Devise. Benjamin meint, er habe die Kreativität von seinem Vater geerbt, der Architekt gewesen ist und immer was geschaffen hat. Beim Malen lasse er sich treiben, „ohne Plan, das entwickelt sich beim Machen“, sagt er. Ausrangierte Plakate inspirieren ihn genauso wie Drucke, auf denen eine Metropole wie New York zu sehen ist. Diese Motive übermalt er oder lässt Teile davon durchblitzen. Gerne werkelt er auch, bespannt alte Rahmen mit Bettlaken. Am liebsten trägt er die Farbe mit handlichen Chipkarten auf den Untergrund auf. Spachtelt sie auf und zieht sie wieder ab, wobei er für sich interessante Formen entdeckt, die er als Ausgangsposition für seine expressiven Bilder nutzt. Seine Werke haben Strahlkraft, wirken dennoch düster und beklemmend, machen melanchloisch. In einem Farbengewirr erkennt man Augen, sieht einen Geknebelten oder ist es ein Gefangener? Es gefällt Benni, nun etwas im Rampenlicht zu stehen. Der Hessische Rundfunk filmt gerade mit ihm, Rundschau, Echo „und jetzt ihr“ wurden auf ihn aufmerksam. Aber es ist dem 45 Jahre alten Darmstädter nach einem völlig anderen Leben zuvor, „auch ein bisjen viel grad.“ Der Rummel um ihn strengt ihn an und zieht „Verpflichtungen nach sich.“ Benni ist froh, wenn wieder etwas Ruhe einkehrt. Er sich wieder mehr seiner Musik am Handy widmen oder malen und dichten kann. Selten schreibt er seine Gedanken auf, wie er sagt. Vielleicht erlebt er jetzt eine Phase, die er nutzt, dies nachzuholen.
„Ich lasse mich treiben, meine Bilder entwickeln sich beim Machen“
Benni, Benjamin Brust, ist leidenschaftlicher Musiker, gibt sich derzeit aber verstärkt seiner Malerei hin