Martin Bechler ist ein kreativer „Hansdampf in allen Gassen“. Mit seiner Band „Fortuna Ehrenfeld“ ist der Kölner gern gesehener Gast in Konzerthäusern, auf Festivals und den Wohnzimmern von Fans und begeistert mit seinen klugen wie witzigen Songs im ganzen Land eine stetig wachsende Fangemeinde. FRIZZmag traf den kreativen Tausendsassa zum Interview und sprach mit ihm über die Band als Familie, berauschendes Merchandise und seinen umfassenden künstlerischen Output.
FRIZZmag: Du bist Songschreiber, Sänger und Gitarrist, Produzent, Autor und vieles andere mehr. Du schreibst die Musik und die Texte für deine Band „Fortuna Ehrenfeld“ und spielst im Studio alle Instrumente ein. Live und auf Fotos bist du aber immer von festen Mitstreiter:innen umgeben. Würdest du „Fortuna“ als Band oder eher als „One Man Show“ beschreiben?
Martin Bechler: „Fortuna“ ist ein virtueller Raum, in dem sich achtsame, respektvolle, neugierige und vor allem vorurteilsfreie Menschen begegnen, um eben diesen virtuellen Raum mittels ihrer unglaublichen lebensbejahenden Energie zu einem analogen Klumpen zu formen. Melancholie als heilsame Turnübung auf dem Weg zu durchgeschüttelten Haaren und Eskalation. So was halt … Bands sind meist ja eher anstrengend. Wir sind mehr so eine tiefenentspannte Family.
Nachdem ihr in den Anfangsjahren sehr erfolgreich mit dem Hamburger Indie-Label „Grand Hotel van Cleef“ zusammengearbeitet hattet, habt ihr 2021 eure eigene Firma „Tonproduktion“ gegründet. Man darf annehmen, dass ein Label wie „GHvC“, das von Künstler:innen gegründet und gemanagt wurde und wird, größtmögliche künstlerische Freiheiten ermöglicht. Warum habt ihr dennoch den Schritt in die hundertprozentige Autonomie gemacht? Dieser bedeutet ja nicht nur volle Freiheit, sondern auch volle wirtschaftliche Verantwortung.
Da war so eine unangenehme Pandemie unterwegs und die hat, ohne dass irgendjemand etwas dafür konnte, ziemlich viel, wenn nicht gar alles, durcheinandergeschüttelt. Alle Liebe dieser Welt dem „Grand Hotel“. Time passes.
Ende vergangenen Jahres habt ihr euer viel beachtetes Live-Doppelalbum „Das letzte Kommando – Live in der Kölner Philharmonie“ veröffentlicht. Aufgenommen wurde es ein Jahr zuvor im ausverkauften Konzerthaus am Dom. Wie hat sich das angefühlt, nach pandemiebedingten Pausen und kontaktreduzierten Konzerten, wieder in so einem großen Rahmen vor Publikum zu spielen?
Wir haben es durch die ganze Pandemie geschafft, einen blickdichten Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Die Parole war: „Egal wie, wir wollen spielen!“ Songs können enorm wertvoll sein, wenn die Sch**** tief fliegt. Open Air, Konzerte mit Abstand, Kopfhörer. Das war gut für uns und gut für die Leute. Am Ende wurden wir dafür mit einer ausverkauften Philharmonie belohnt. Wir sind Musiker:innen. Wir wollen spielen. Du kannst mir beide Beine abhacken und ich schwöre dir, ich finde einen Weg, spätestens 48 Stunden später wieder auf eine Bühne zu robben. „Krise“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet keinen Dauerzustand. Übersetzt heißt es „Wendepunkt“. Also eben auch eine Chance. Mund abputzen, weitermachen.
Neben zahlreichen Songs aus dem „Fortuna“-Œuvre habt ihr auch vier Lieder gemeinsam mit Sänger und Songschreiber Gisbert zu Knyphausen zum Besten gegeben. Wie kam's dazu?
Wir mögen Gisbert sehr und bewundern ihn für seine Unbestechlichkeit in einem maximal von gewinnmaximierungsorientierten Vollpfost:innen gespickten Schwimmbecken namens Popmusik. Es war emotional enorm dicht, mit ihm diesen wundervollen Raum zu bespielen.
Mit Gisbert und seiner Familie bist du schon länger verbunden. 2018 seid ihr beim „Heimspiel Knyphausen“- Festival auf dem Weingut von Gisberts Familie in Eltville aufgetreten, im vergangenen Frühjahr warst du im Rahmen einer Lesung erneut dort zu Besuch und mittlerweile gibt es „Zwei Himmel“, eine gemeinsame Wein-Edition. Wie schmeckt der Wein denn?
Hicks! Wir arbeiten nur mit Leuten, die mit voller Leidenschaft ihren Job machen. Wein, Bücher, Popmusik. Die drei Säulen der abendländischen Gesellschaft.
„Zwei Himmel“ ist ja nicht das einzige Genussprodukt aus dem Hause Ehrenfeld. Ihr bietet auch eigenen Espresso („Rakete“) und feinen Kaffee („Catering“) an. Sind das genussvolle Lieblingsprojekte oder der Sprung zu „Fortuna“ als Handelskonzern? „Fortuna Reisen“ mit Martin Bechler als Reiseleiter wären sicher auch ein Highlight für Fans.
Diese Sachen erfüllen gleich zweierlei Funktion: Sie stabilisieren einen Independent-Betrieb wie den unsrigen angenehm und sind für uns der wesentlich bessere Weg, als uns von irgendeiner bescheuerten Versicherungsfirma sponsern zu lassen und dann mit einem Anglerhütchen mit deren Logo drauf rumzulaufen, zumal wir auf diesen kurzen Dienstwegen die maximale Kontrolle in puncto Bio, Nachhaltigkeit und Fair Trade haben. Drunter machen wir's halt einfach nicht. Kein Bock. Zum anderen entschleunigt uns die Entwicklung dieser schönen Dinge enorm und schützt uns davor, immer nur in der Musiksuppe zu schwimmen oder gar uns selbst als Personen zu wichtig zu nehmen. „Fortuna“ ist ein Gesamtkunstwerk. Wir wollen jeden Tag ein bisschen was dazulernen, wie man seinen Job machen kann, ohne die Erde, Umwelt und alle darin rumwurschtelnden Kreaturen zu beschädigen.
Deine Liebe zum Wein gibt es seit einiger Zeit auch in Buchform: Gemeinsam mit Autorin Sophia Fritz hast du den Roman „Kork“ veröffentlicht, eine Ode an die Önologie sozusagen. Worum geht es in eurem Buch?
Um Wein. Und um eine Freundschaft, die in ihrer Entwicklung im Buch zeigt, was passiert, wenn zwei vermeintlich maximal unterschiedliche Charaktere ihre Vorurteile gegeneinander einfach in den Rhein werfen. Es ist ein Standardwerk und gehört in jede gute Stube. Lebensnotwendige Weinempfehlungen bei maximaler Intimität, schonungsloser Eskalation, der Teufel erscheint, die Aliens landen – so was halt. Ich bin fast vom Stuhl gefallen, als der messerscharfe deutsche Literaturkritiker Denis Scheck das in seiner ARD-Sendung „lesenswert“ quasi zum neuen Kult- Ding hochgejubelt hat. Macht schon echt Laune alles grade.
Platten aufnehmen, Bücher schreiben, Konzerte spielen – du bist eigentlich immer am Machen. Wann kommt Martin Bechler zur Ruhe bzw. wie darf man sich Momente der „Ruhe und inneren Einkehr“ bei dir vorstellen?
Wie meinen? Ich bin gerade auf dem Weg nach St. Pauli, um dort gemeinsam mit „Viva con Agua“ einen Song über das Viertel abzudrehen. Ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Der Song heißt „Auf St. Pauli ist der Abendstern geboren“. Geht schwer ans Herz, ich schwöre.
Live seid ihr immer für eine Überraschung gut – mal mit Blaskapelle oder Chor auf der Bühne, in der ausverkauften Philharmonie oder im Fan-Wohnzimmer vor zehn Leuten. Unlängst habt ihr ein spannendes Live-Special für den 2. Juni in Frankfurt angekündigt: „Non Stop Dancing mit Fortuna Ehrenfeld“. Kannst du schon mehr darüber verraten? Was wird das für ein Abend?
Keine Moderationen, keine Balladen, keine Pausen. Durchmarsch, bis keiner mehr kann und wir alle in unserem Saft mit dem Abzieher zurück in die Frankfurter Nacht geschlabbert werden. Und das in einem der freakigsten Clubs der Republik, der kurioserweise nach uns benannt wurde: „Fortuna Irgendwo“. Wirste bekloppt. Join the Shala Movement!
Ab Ende März residiert ihr im Studio des legendären „Haldern Pop“-Festivals und arbeitet an neuen Songs. Wann können wir mit einer neuen Platte rechnen? Schon zur Tour im kommenden Herbst? Kannst du schon einen Ausblick geben, was eure Fans musikalisch erwarten wird? „Finest Fortuna“ oder „Always expect the unexpected“?
Die neue Platte kommt Anfang September. Bis dahin spielen wir uns erst mal ab April in einer „Spring Break“-Frühjahrstour warm und zuckeln dann im Sommer über die Festivals. Erst mal angemessen den doofen Winter aus den Knochen schütteln. Die Platte wird minimalistisch aufs Maul mit vereinzelten Heulbojen dazwischen, einer Prise Schüttelbeats und jeder Menge Zitroneneis. Entweder im Hörnchen oder als Sorbet. Es juckt uns gewaltig, in Darmstadt gegebenenfalls schon mal was von den neuen Sachen … hm … schau mer mal.
Vielen Dank für das Gespräch.
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FRIZZmag präsentiert: Fortuna Ehrenfeld live!
Do., 20.4., 20 Uhr, Centralstation, Darmstadt
Karten gibt´s bei FRIZZ Tickets, Rheinstrasse 30, 64283 Darmstadt 06151 / 915888
FRIZZmag verlost 3x2 Tickets!
Und so geht’s:
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Einsendeschluss ist am 15.4.!