„Brandt Brauer Frick“ – ein Name wie eine Anwaltskanzlei. Doch wer bei „BBF“ an elitäre Langweiler-Mucke denkt, liegt komplett daneben. Denn mit seinem einzigartigen Mix aus Clubtunes und Elementen der „neuen Musik“ sorgt das Trio seit Jahren rund um den Globus für Furore. Dieser Tage erscheint der lang erwartete neue Longplayer „Multi Faith Prayer Room“, den die Herren ab Februar live auf Tour vorstellen. FRIZZmag traf Jan Brauer zum Gespräch. FRIZZmag: Als 1989 die erste „Loveparade“ stattfand, warst du gerade so Grundschüler. Kannst du dich an deine erste Begegnung mit elektronischer Musik erinnern? Jan Brauer: Ich glaube, das erste, was wir Kinder in dieser Richtung damals zu hören bekamen, war Eurodance. Das war zwar eher houselastig aber schon etwas „technoid“. Was ich rückblickend interessant finde, ist, dass diese Nummern damals immer erst mal in den Clubs Hits waren, bevor sie dann im Radio und im Musikfernsehen liefen. Heutzutage läuft das so ja überhaupt nicht mehr. Mein Bruder, der zwölf Jahre älter ist als ich, ist damals aber schon zur „Loveparade“ gefahren und hat die „echten“ Technosachen gehört und da habe ich natürlich einiges für mich mitgenommen. Ich fand diesen Sound total futuristisch. 2008 hast du gemeinsam mit Daniel Brandt und Paul Frick „Brandt Brauer Frick“ gegründet. Euer Konzept: elektronische Musik mit Elementen klassischer Musik zu verbinden. Wie kam's zu der Idee? Das hat sich irgendwie ergeben. Daniel und ich waren damals große Fans von Minimal Techno und gerne im „Robert Johnson“ in Offenbach, wo Leute wie Ricardo Villalobos aufgelegt haben. Wir haben damals parallel auch Partys bei uns in Wiesbaden veranstaltet und Minimal war halt der Sound. Das wollten wir selbst auch machen. Da wir aber vorher immer in Bands gespielt hatten, war unser Ansatz anders. Wir wollten nicht jeder für sich am Laptop rumbasteln, sondern gemeinsam im Studio arbeiten. Über meine Ausbildung konnte ich für uns ein sehr gutes Mikrofon ausleihen, mit dem wir dann alle möglichen Percussioninstrumente aufgenommen und gesampelt haben. Etwas später haben wir dann Paul kennengelernt, der damals gerade mit seinem Kompositionsstudium fertig war und sich viel mit „neuer Musik“ auseinandergesetzt hatte (unter „Neuer Musik“ versteht man eine Art universaler Kategorie der Kunstmusik des 20. Jahrhunderts, die sich durch Aktualität und Zeitnähe sowie die Option auf das Experiment auszeichnet. Anm. d. Red.). In diesen Ansätzen der neuen Musik war vieles – sowohl vom Klang als auch an der Haltung her – das auch uns interessiert hat. Es hat ja schon was von „Punk“, wenn man beispielsweise eine Geige nicht verwendet, um auf ihr schöne Melodien zu spielen, sondern perkussiv mit dem Bogen auf die Saiten schlägt. Nachdem ihr als Trio gestartet seid, habt ihr einige Zeit später eure Samples wieder ins Organische übersetzt und diese „elektronische Musik ohne Maschinen“ mit klassischen Musikern als „Brandt Brauer Frick Ensemble“ sehr erfolgreich auf bekannten Festivals wie dem „Glastonbury“ in England aufgeführt. Habt ihr mit diesem starken internationalen Echo gerechnet? Nein. Wir haben eigentlich mit nichts gerechnet. Aber wir haben schon als Trio gemerkt, dass wir ständig mehr Auftrittsanfragen erhalten. Da war das Interesse von Anfang an groß. Die Idee für das Ensemble war bereits früh geboren, aber erst mal sehr unrealistisch. Viel Arbeit, hohe Kosten, viel Verantwortung. Als wir schließlich unseren ersten Plattenvertrag hatten, konnten wir uns endlich an die Umsetzung machen. Da hatten wir viel Rückenwind vom Label. Die ersten Gig-Anfragen kamen sehr bald, daraufhin hat sich Paul hingesetzt und unsere ganzen Stücke für zehn Stimmen ausnotiert und wir haben eine Truppe zusammengestellt, einen Proberaum klargemacht und das Ganze mal probiert. Dass wir das letztendlich in dieser Formation zehn Jahre lang machen würden, war uns damals überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Es machte Spaß, die Musik zu spielen, und sie hat offenbar in den Zeitgeist gepasst. Es war einfach an der Zeit, dass die Raver und die Fans handgemachter Musik zusammengeführt wurden, denn im Endeffekt geht’s einfach immer nur um Sound. Klassik, Jazz, Pop, Techno – das fließt mittlerweile immer öfter ineinander und junge Leute sind für diese ganzen Strömungen viel offener. „Brandt Brauer Frick“ begeistert auf Rockfestivals genauso wie in klassischen Konzerthäusern wie der Düsseldorfer Tonhalle oder der Kölner Philharmonie. In welchem Kontext fühlt ihr euch am wohlsten? Zunächst mal ist es ein sehr großer Unterschied, ob die Leute bei einem Konzert vor dir stehen oder ob sie sitzen. Auch, ob es im Venue ganz leise oder sehr laut ist, macht einen enormen Unterschied. Wir passen die Art, wie wir unsere Musik spielen, den jeweiligen Gegebenheiten an und haben große Freude daran, unsere Musik immer wieder neu und anders zu präsentieren. Wir drei sind da auf jeden Fall sehr ähnlich gepolt. Wir haben Bock auf Abwechslung. Aktuell stellt ihr euer neues, noch unveröffentlichtes Album „Multi Faith Prayer Room“ auf Tour vor. Ein „Multi Faith Prayer Room“ ist ein Raum der Stille, ein interreligiöser Ort der Ruhe, der Einkehr und des stillen Gebets. Was hat es mit diesem Titel bzw. dem Konzept des neuen Albums auf sich? Wir haben ja als Club-Act damals angefangen und in den ersten Jahren viel in Clubs und auf Partys gespielt. Während der Pandemie hat uns das Clubleben sehr gefehlt und als wir dann an neuem Material gearbeitet haben, war schnell klar, dass wir wieder tanzbarere Tracks wie zu unseren Anfangszeiten produzieren wollten. Das Album ist also gewissermaßen eine Rückorientierung zur Clubmusik. Der „Multi Faith Prayer Room“ erinnert uns ein bisschen an das Gefühl, das man im Club hat. Oder zumindest an das, wofür es in den 90ern mal auf großartigen Raves gestanden hat. Alle in einem Raum, ganz gleich, wer man ist, woher man ist, alle in einem Geist vereint. Der Techno-Club war die moderne Kirche. Wobei das weniger konkret religiös als spirituell gemeint ist. Ihr drei seid auch abseits von „Brandt Brauer Frick“ vielfach kreativ tätig: Paul komponiert Musik und ist parallel Mitglied der legendären Elektro-Pioniere „Tangerine Dream“, Daniel ist ebenfalls als Solokünstler aktiv und du hast aktuell Musik für „Bakchen“, eine Neudichtung nach Euripides von Raoul Schrott, komponiert, die im Staatstheater Wiesbaden aufgeführt wird. Welchen Stellenwert haben diese Soloprojekte für euch? Auch diese Projekte sind natürlich Teil unserer künstlerischen Arbeit und haben auch einen großen Stellenwert für jeden von uns. Aber auch für die Band sind diese Projekte wichtig. Wir haben ja ursprünglich mal als drei Individuen begonnen, die sich zum Musikmachen getroffen haben. Und ehe wir uns versahen, waren wir quasi miteinander verheiratet und haben nur noch zu dritt abgehangen. Irgendwann gab es kaum noch so etwas wie eine Außenwelt bzw. individuelle Erfahrungen für jeden von uns. Das haben wir dann nach und nach geändert. Wir sind bewusst weniger unterwegs gewesen und haben uns mehr Raum für unsere individuellen Belange gegeben. Gut für die Band ist daran, dass unsere anderen Tätigkeiten viele neue Erfahrungen und Connections mit sich bringen, die auch bei „Brandt Brauer Frick“ einfließen. Du bist aktuell in eurer alten Heimatstadt Wiesbaden und hattest vorhin das „Robert Johnson“ erwähnt. Habt ihr eigentlich noch immer einen Draht zur Musik- und Clubszene im Rhein-Main-Gebiet? Nicht mehr so viel. Früher waren wir in Wiesbaden so ein bisschen die Lokalmatadore und bis vor ein paar Jahren habe ich noch regelmäßiger in Mainz aufgelegt. Aber in den letzten fünf Jahren ist das weniger geworden und durch Corona ging ja dann fast drei Jahre lang dann gar nichts mehr. Dadurch sind auch die letzten Verbindungen zum Erliegen gekommen. Und nicht zuletzt werden wir als DJs und Partymacher älter und auch unser Publikum wird älter. Dafür kommen neue Leute und das ist auch gut so. Dieses Jahr feiert „Brandt Brauer Frick“ sein 15-jähriges Bestehen. Hättest du jemals gedacht, dass euch die Musik von Wiesbaden aus so weit in die Welt tragen würde? Nee, hätte ich auf keinen Fall gedacht (lacht). Auch, dass das immer so weitergeht. Das lief ja im Grunde immer so ab, dass man auf Partys gespielt hat und nach jedem Gig irgendjemand uns eingeladen hat, mal bei ihm zu spielen. In der Schweiz, in Dänemark oder sonst wo. Das hat sehr schnell immer weitere Kreise gezogen. Schon irre. Das neue Album erscheint im Mai. Wie sehen eure weiteren Pläne aus? Mittlerweile sind ja weltweite Tourneen wieder relativ problemlos möglich. Aber die Organisation von Tourneen ist ziemlich herausfordernd, vor allem aufgrund der gestiegenen Reisekosten. Ganz so einfach ist das daher leider alles immer noch nicht. Und generell sind wir eher nicht so die Typen, die „Fünf-Jahres-Pläne“ machen. Die Veröffentlichung von „Multi Faith Prayer Room“ war das, worauf wir die vergangenen zwei Jahre hingearbeitet haben. Und wenn das Album dann raus ist, stehen wir am nächsten Tag da und fangen wieder von vorne an. Vielen Dank für das Gespräch.
FRIZZmag präsentiert: Brandt Brauer Frick live! Do., 23.2., 20 Uhr, Mousonturm, Frankfurt Weitere Infos unter: ZUR WEBSEITE | ZUR FACEBOOK-PAGE