Ob als Sänger und Songschreiber, Miteigner des angesagten Hamburger Labels „Grand Hotel Van Cleef“ oder Romanautor – Thees Uhlmann ist der sprichwörtliche „Hans Dampf“ der deutschen Indie-Szene, keine Frage. Im August kommt die Verfilmung seines Romandebüts „Sophia, der Tod und ich“ bundesweit in die Kinos und auf Tour ist er natürlich auch wieder unterwegs. Darauf eine Runde Interview mit FRIZZmag-Musikredakteur Benjamin Metz.
FRIZZmag: Ich erwische dich gerade im Urlaub – ist das eine Zeit, in der du einfach die Seele baumeln lässt oder in der du enorm kreativ bist?
Thees Uhlmann: Nee, eher nicht. Es hört sich vielleicht komisch an, aber ich fahre gar nicht so gerne in Urlaub. Das bedeutet meistens Stress für mich. Wenn ich die Sprache nicht spreche, denke ich, dass ich den Leuten auf die Nerven gehe. Aber jetzt bin ich hier gerade im Burgenland bei einem alten Freund und da klappt das mit Seele-baumeln-Lassen auf jeden Fall sehr gut. Das ist mittlerweile sowas wie eine zweite Heimat hier. Das Kunstmachen passiert eher bei mir zu Hause in Berlin.
Die Frage nach der Kreativität stellt sich vor allem im Hinblick auf dein letztes, sehr erfolgreiches Soloalbum „Junkies & Scientologen“. Das liegt vier Jahre zurück und die Fans scharren schon mit den Hufen. Kannst du mal eine Wasserstandsmeldung bezüglich neuer Songs geben?
Nein, das kann ich nicht. Und das hat auch mit dieser außergewöhnlichen Zeit zu tun, die wir erlebt haben. Klar, das war eine ganz neue Situation und diese ganzen Corona-Maßnahmen waren sicher auch gerechtfertigt. Aber für mich war diese Zeit keine Phase, in der ich Bücher schreiben oder Songs hätte aufnehmen können. Einfach, weil ich mich selbst ziemlich außergewöhnlich gefühlt habe in diesen zwei Jahren. Das war mehr die Zeit, um an all die Leute zu denken, die Tag und Nacht an der Front gestanden haben und einen extrem stressigen Job zu erledigen hatten. Es kann sein, dass mich diese Zeit später noch inspiriert, aber zunächst mal war das eine bleierne Zeit für mich und deshalb habe ich damals nicht kreativ gearbeitet. Aber so langsam kommen wieder solche merkwürdigen Gedanken, aus denen nicht selten Songs entstehen. Von daher kann ich vermelden: Es geht so langsam wieder los.
Aber mit der Band warst du während der Pandemie durchaus aktiv.
Ja, klar – live. Wir haben zu dritt eigentlich immer gespielt, wenn es möglich war, und eben unter den gegebenen Auflagen. Wir haben auch einige Streaming-Konzerte gespielt. So auch eins in Linz, wo das Festival vor Ort komplett gestreamt werden sollte, nur eben ohne Publikum. Eigentlich eine schöne Idee, zumindest den Rahmen ganz normal aufrechtzuerhalten. Aber ich habe an dem Tag schon gemerkt, dass da irgendwas in einer Unwucht ist bei mir. Mein Freund Ingo, bei dem ich hier gerade in Urlaub bin, hatte den Stream gesehen, meinen Manager angerufen und zu ihm gesagt: „Du musst dich um Thees kümmern, mit dem stimmt was nicht!“ Und das traf auch absolut zu. Ich habe Texte vergessen und stand einfach neben mir. Dieses „ein Konzert für die Kameras simulieren“ hat mich total unter Stress gesetzt. Das ging irgendwie gar nicht.
In einem Interview meintest du mal: „Das Durchfahren und Durchdringen dieses Landes mit Kunst & Rock'n'Roll ist eine Faszination, die nur zunimmt“. Welchen Stellenwert haben Konzerte für dich?
Ich bin ein fahrender Troubadour. Durch die Gegend zu ziehen und für Leute Musik zu machen ist mein Leben. Wir haben vor Kurzem in Georgsmarienhütte gespielt. Und zwar an dem Abend, als Bruce Springsteen in Hamburg gespielt hat. Alle meine Freunde waren dort und das muss ein fantastisches Konzert gewesen sein. Ich habe bei meinem Konzert dann zum Publikum gesagt: „Bruce Springsteen spielt heute Abend in Hamburg. Aber Thees Uhlmann und Band spielen heute Abend in Georgsmarienhütte!“ Und die Leute haben so gelacht und sich so über diesen Spruch gefreut, denn er ist einfach wahr. Bruce Springsteen in Hamburg zu sehen ist sicher genial, aber doppelt so gerne stehe ich selbst auf der Bühne in Georgsmarienhütte.
Du bist ja nicht nur Musiker, sondern auch Autor. Was hat dich gereizt, einen Roman zu schreiben? Das ist ja so ganz anders als Rock'n'Roll: alleine in der Stube mit seinen Gedanken, null bis wenig Gesellschaft wie im Studio oder auf Tour.
Zunächst mal waren da einige wichtige Leute in meinem Umfeld, die einfach daran geglaubt haben, dass ich das kann. Und dann habe ich irgendwann mit dem Schreiben angefangen. Einige Sachen waren auch schon von vorneherein klar. Beispielsweise, dass im Buch keine Musik vorkommt bzw. ich nicht über Band-Alltag und Ähnliches schreibe. Und es war mir wichtig, dass das Buch wirklich unterhaltsam ist. Das sollte keine schwere Kost werden, sondern eine anrührende Geschichte, bei der man lachen kann. Oder auch weinen.
Dein Debütroman „Sophie, der Tod und ich“ war ein großer Erfolg, wurde fürs Theater adaptiert, in mehrere Sprachen übersetzt und unlängst verfilmt. Eine späte Genugtuung? Dem Vernehmen nach warst du in der Schule im Deutschunterricht eher der Underdog.
Im Diktat eine Sechs Minus (lacht). Eine Genugtuung spüre ich aber nicht. Dazu war ich mit den meisten Lehrern auch zu gut. Die Schule war ja nicht per se eine schlimme Erfahrung. Was mich freut, ist eher, dass ich nicht wie andere meinen großen Hit mit 28 hatte und dem seither immer hinterher hechle – das ist sicher unfassbar anstrengend, – sondern mit zunehmendem Alter in diesem Kulturbetrieb stetig erfolgreicher und, wie ich finde, immer besser werde. Das Ganze macht mir sehr großen Spaß!
©Ingo Petramer
Thees Uhlmann Schwarz weiß
Ein Stück Kunst zu schaffen ist ja ein sehr intimer, nicht selten einsamer Prozess. Dieses Stück dann in die Welt zu lassen, heißt ja auch, es zu teilen und loszulassen. Es gehört einem nicht mehr, es wird von Leuten interpretiert und verändert. Fühlt sich dieser Prozess des Loslassens bei deinen Songs anders an als beim Buch und dem Film? Der Film erscheint Ende August – wie ist es, wenn deine erdachten Figuren lebendig werden?
Ich finde das nicht schwierig, sondern meistens spannend, zu sehen, was andere Leute aus meinen Sachen machen. Ich habe keine großen Probleme mit dem Loslassen. Es war so unwahrscheinlich, dass ich von meiner Kunst irgendwann mal leben kann, dass das für mich immer noch „Peterchens Mondfahrt“ ist, wenn sich Leute ernsthaft mit meiner Arbeit auseinandersetzen. Zudem gilt ja, dass alles kann und nichts muss. Man muss den Prozess so sehen: Man kann sagen, dass man nicht möchte, dass das Buch verfilmt wird. Dann verdient man auch kein Geld mit seinen Rechten. Oder man willigt ein, dann sollte man aber auch einen genauen Blick darauf haben, wer den Film macht. Und wenn jemand wie Charly Hübner dein Buch verfilmen möchte, denkst du eigentlich nur: „Alter, ist das super!“ Ich habe nicht so viel Ahnung von Schauspielerei, aber ich finde das so toll, wie die drei Hauptcharaktere mein Buch nachspielen. Anna Maria Mühe als Sophia ist genau die Figur, wie ich sie mir vorgestellt habe. Eine Mischung aus zwei, drei Exfreundinnen, ruppig, aber mit einem großen Herzen. Das hat mich unheimlich gefreut und stolz gemacht, wie es denen gelungen ist, mein Buch „nachzubauen“.
Du wirst uns also auch als Autor erhalten bleiben, denke ich mal?
Ja, auf jeden Fall! Aber ich musste auch hier den harten Weg gehen und lernen, dass ich Kunst nur machen kann, wenn ich Kunst mache. Ich kann mich nicht hinsetzen und so vor mich hinschreiben. Ich brauch einfach eine gute Idee und trotzdem dauert es dann oft noch ein bis zwei Jahre, bis sich die in etwas Konkretes verwandelt. Ich spüre in der Regel recht gut, wenn dieser Punkt erreicht ist, und dann fange ich mit dem Schreiben an. Der Weg ist oft lang, zäh und mitunter schmerzhaft, aber wenn das Ganze mal seinen Anfang genommen hat und immer mehr Gestalt annimmt, entsteht da ein Gefühl, das kaum zu toppen ist.
Auch diesen Sommer bist du wieder live unterwegs, so auch am 6.8. beim schönen „KUZ Hinterhof Open Air“ in Mainz, wo du ein Solokonzert spielen wirst. Kennst du das „KUZ“?
Klar, ich habe da, wenn ich mich recht erinnere, vor einigen Jahren im Vorprogramm von „Element of Crime“ bei deren „Romantik“-Tour gespielt und habe über eine Bekanntschaft zur „Turbojugend Mainz“ über die Jahre viele gute Freunde in Mainz gefunden. Ich mag es da sehr und freue mich schon auf diese Solonummer, nur ich mit Gitarre, weil das voll mein Ding ist und das sicher ein sehr intensiver Abend wird.
Du bist Musiker, Bestsellerautor und Miteigner des „Grand Hotel van Cleef“-Labels – ein sehr erfülltes Künstlerleben. Hätte es einen Plan B gegeben, wenn das mit der Musik nicht geklappt hätte, und wie hätte der ausgesehen?
Nicht so wirklich. Allerdings habe ich über die Jahre immer Kontakt zu meinen Leuten aus dem Dorf, wo ich aufgewachsen bin, gehalten und hätte da sicher eine Ausbildung als Erzieher machen können. Ich hätte dann sehr wahrscheinlich mit behinderten Menschen gearbeitet, vielleicht als Heilpädagoge. Ich hatte da schon über den Zivildienst erste Erfahrungen gesammelt und das hätte mir sicher viel Spaß gemacht, weil das meiner Seele und meiner Psyche nachhaltig gut getan hat. Die Leute machen ja viele Sachen, die toll sind: Bungeespringen, mit 300 km/h über die Autobahn brettern und so. Da denke ich mir nur: „Leute, macht, was ihr wollt, aber geht mal mit einer Gruppe Behinderter einkaufen.“ Der eine reißt eine Packung Haribo auf, der andere steht bei den erotischen Heftchen, die andere redet mit der Frau von der Fleischtheke so lange, bis sie eine Wurst geschenkt bekommt, und du stehst nur mittendrin und denkst, was das hier für ein genialer Film ist, der gerade läuft. Solche Momente machen mir auf jeden Fall immer sehr großen Spaß!
Vielen Dank für das Gespräch.
www.facebook.com/theesuhlmannmusik
FRIZZmag präsentiert: Thees Uhlmann live @ „KUZ Hinterhof Open Air“
So., 6.8., 19 Uhr, KUZ, Mainz
FRIZZmag verlost 2x2 Tickets für das Konzert von Thees Uhlmann beim „KUZ Hinterhof Open Air“
Und so geht’s:
Einfach eine E-Mail mit dem Stichwort ,,Thees Uhlmann" an verlosung(at)frizzmag.de schicken (Telefon und Name nicht vergessen). Wir melden uns dann via E-Mail bei euch.
Einsendeschluss ist am 3.8.!