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Golden” Jack - wie er in der Szene genannt wird - ist in Kranichstein aufgewachsen, zur Schule gegangen und hat dort das Boxen gelernt. Nach erfolgreicher Amateurlaufbahn wechselte er 2009 ins Profilager und schaffte es auch dort bis zum Weltmeister.
FRIZZmag: Super, dass das mit dem Interview so einfach geklappt hat. Du hast Deinen Lebensmittelpunkt in Berlin, seit wann?
Jack Culcay: Seit drei Jahren, davor in Hamburg.
Warum seid Ihr damals mit Eurer Familie nach Deutschland und speziell nach Darmstadt gekommen?
Meine Mutter hat damals bei Nike in Weiterstadt gearbeitet und hat in Deutschland viele Verwandte, da sie halb deutsch, halb ecuadorianisch ist.
Welche Beziehung hast Du noch zu Darmstadt?
Ich hab in Pfungstadt noch eine Wohnung und meinen Papa, den ich öfters besuche. Außerdem gibts da die Boxschule Culcay, sie besteht schon zehn Jahre, wir unterstützen Flüchtlinge in Pfungstadt, Griesheim und in Darmstadt. Nach Darmstadt komme ich so etwa zweimal im Jahr, gute Freunde leben da noch. Zu den ganzen Jungs von früher hab ich noch Kontakt, ich glaube, die haben noch keinen von meinen Kämpfen verpasst. Und ich bin Botschafter von „Du musst kämpfen“
Kranichstein feiert im Mai 50jähriges Stadtteiljubiläum. Du bist in Kranichstein nicht nur zur Schule gegangen, sondern warst auch u.a. im Sharks Gym aktiv. Da hat Deine Boxkarriere angefangen, oder?
Ja, auf jeden Fall. Da konnten wir immer kostenlos trainieren, das hat sehr viel gebracht.
Welche Rolle spielt es für Dein Leben, dass Du in Kranichstein aufgewachsen bist?
Das hat schon eine Rolle gespielt, ich hab mich immer gut verstanden, mit allen dort. Gefühlt alle Nationalitäten waren da ja vertreten. Und Kranichstein war auch nicht einfach damals. Man wird stärker, wenn man in Kranichstein aufwächst. Ich jedenfalls habe schöne Erinnerungen, ich geh gerne wieder da hin und guck mir an, wo ich gewohnt habe, im Hochhaus.
Du bist heute erfolgreicher Profiboxer und damit Vorbild für viele, nicht nur in Kranichstein. Was war der Auslöser für Deine Boxerlaufbahn? War das Dein Papa, der ja auch Amateurboxer war?
Mein Papa hat Wert darauf gelegt, sportlich zu sein und uns immer zum Sport geschickt. Auch zuhause hat er uns das Boxen beigebracht. So mit zwölf hab ich mir dann die TG 75 als Verein ausgesucht und ab dann sind wir regelmäßig zum Boxtraining gegangen. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich beim Boxen geblieben bin.
Während Deiner Amateurkarriere hast Du zwei Deutsche Meistertitel gewonnen, warst VizeEuropameister, bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking dabei und 2009 Weltmeister im Weltergewicht. Was war für Dich der emotionale Höhepunkt?
Es gab mehrere. Aber die Teilnahme an den Olympischen Spielen ist einmalig. Man kommt ja nicht einfach so dahin und kann boxen. Das war schon eine krasse Sache und eine besondere Ehre.
Du hattest einen schweren Gegner in der ersten Runde, und das Ergebnis war ziemlich umstritten, wenn ich mich richtig erinnere?
Genau, das war Kim Jung-joo aus Südkorea, der Olympiadritte von 2004, der 2008 dann auch Bronze holte. Er war der Favorit. Wir haben unentschieden geboxt, er gewann nach Hilfspunkten, ein knappes Ding. Viele haben gesagt, die Punktrichter hätten ihn bevorzugt. Trotzdem hab ich einen guten Kampf gemacht, das war das Wichtigste. Und ein Jahr später bei der Weltmeisterschaft in Mailand hab ich dann die Goldmedaille gewonnen. Das war der Auslöser, dass ich zu den Profis gewechselt bin.
Wie groß ist der Sprung vom Amateur zum Profi?
Ich sag immer: Amateurboxen und Profiboxen sind zwei verschiedene Sportarten. Bei den Amateuren gibt es nur drei Runden, bei den Profis bis zu zwölf. Bei den Amateuren muss man schnell Punkte sammeln, bei den Profis ist es viel Taktik. Man muss schlau sein und sich die Kraft komplett anders einteilen. Und dazu noch die Härte, kein Kopfschutz, kleinere Handschuhe, Profi-Boxsport ist schon gefährlich.
Nach Universum und Sauerland bist Du jetzt bei Agon in Berlin gelandet und hast gleichzeitig die Gewichtsklasse gewechselt. Ist das nach der Interims-WM im Halbmittelgewicht und dem verlorenen WM-Fight 2017 ein neuer Griff nach einem WM-Titel?
Ich könnte auch in meiner alten Gewichtsklasse bleiben, aber ich dachte mir: neuer Boxstall, neue Gewichtsklasse. Und dann muss ich auch weniger abnehmen, Gewichtmachen fiel mir die ganzen letzten Jahre sehr schwer. Jetzt fühl ich mich besser.
Ist deine mangelnde Reichweite ein Handicap?
Ich muss das immer durch Schnelligkeit, durch die Beinarbeit wett machen. Andere Boxer sagen aber, dass es schwieriger ist, mit jemandem zu boxen, wenn er kleiner ist. Die haben Schwierigkeiten, weil ich flink bin und abtauchen kann. Ich hab damit also sogar einen Vorteil.
Dein erster Kampf im neuen Stall und in der neuen Gewichtsklasse im März in Gütersloh war ja sehr erfolgreich. Warst Du damit zufrieden?
Auf jeden Fall, ja. Das war gut. Nach sechs Wochen Training für diesen Kampf war ich auf jeden Fall zufrieden. Das war auch ein guter Gegner, kein Fallobst. Und jetzt trainier ich zweimal am Tag von Montag bis Samstag für meinen nächsten Kampf.
Wann werden wir Dich sehen im WM-Fight gegen Superstar Gennadi Golowkin aus Kasachstan?
Das kann man noch nicht so sagen. Ich müsste die nächsten Kämpfe gewinnen und mich in der Rangliste weit oben befinden. Das wird nicht mehr lange dauern, vielleicht Mitte nächsten Jahres, ungefähr.
Man nennt Dich in der Szene auch „Golden Jack”. Woher kommt dieser Nick?
Den hat mir damals mein Manager verpasst, als ich Weltmeister geworden bin. Und das hat dann einfach gepasst. Der Letzte vor mir aus Deutschland war 1995 Weltmeister. Ich war es dann 2009 und seit dem hat es keiner mehr geschafft.
Viele Kids und Jugendliche träumen von einer Karriere als Profisportler, ob Fußball, Boxen oder Basketball ist dabei eigentlich egal. Was würdest Du ihnen mit auf den Weg geben? Was ist die wichtigste Eigenschaft, die man braucht, um erfolgreich zu sein?
Es gibt da so viel. Erst mal muss die Familie mitspielen und einen unterstützen. Und sonst muss man selbst alles tun, man muss Ehrgeiz haben, laufen gehen, Tag für Tag trainieren, auch wenn die anderen abhängen, so war das jedenfalls bei mir. An den Wochenenden waren dann die Kämpfe, da war ich immer komplett unterwegs, mein Vater hat mich überall hingefahren. Wir hatten zwar nicht viel Geld, aber er hat versucht, das irgendwie zu besorgen, damit wir zu den Wettkämpfen kommen. Das war ganz schwer für uns, es gab ja keinen anderen, der einen unterstützte. Also bei mir, ganz klar, war die Familie das Wichtigste. Und das ist immer noch so.
Danke, Jack, für das Gespräch, alles Gute und vielleicht auf bald mal in Darmstadt.
Sehr gerne.
jack_robert_culcay-keth.info
*26.9.1985 in Ambato (Ecuador), kam 1991 mit seiner Familie nach Deutschland und besuchte bis 2004 die Erich Kästner-Schule (IGS) in Kranichstein. Im Alter von 12 Jahren begann er mit dem Boxsport und startete für die TG 75 Darmstadt. 2007 gewann er seine erste Deutsche Meisterschaft, die er 2008 verteidigte. Im gleichen Jahr wurde er Vize-Europameister und startete für Deutschland bei den Olympischen Spielen in Peking. Nach dem Gewinn des Weltmeistertitels 2009 wechselte er ins Profilager, wurde WBA-Interkontimeister, EBU-Europameister und gewann den Interimsweltmeistertitel der WBA. 2017 verlor er den Kampf um den WBA-Weltmeistertitel, wechselte Boxstall und Gewichtsklasse und gewann seinen ersten Kampf im Mittelgewicht im März 2018. Jack Culcay ist (noch nicht) verheiratet und hat eine acht Monate alte Tochter