©Klaus Mai
Bijan Kaffenberger
Interview
- Volkswirt, Gemeindevertreter, Kreistags- und ab Januar Landtagsabgeordneter: Bijan Kaffenberger (29) hat Ex-Kultusministerin Karin Wolff (CDU) das Direktmandat abgeluxt. Außer er sich selbst hatten ihm das nicht allzu viele zugetraut.
FRIZZmag: Hi Bijan, Dein grandioser Sieg im Wahlkreis 50 ist ja jetzt schon ein paar Tage her. Hast Du inzwischenrealisiert, was Dir da gelungen ist?
Bijan Kaffenberger: Ja. Es hat zwar erst ein bisschen gedauert, aber alleine die Tatsache, dass ich all die Glückwunsch-Mails beantworten muss und Terminanfragen habe, als wär ich gefühlt Minister, zeigt, dass ich in der Realität angekommen bin. Jetzt gehts los, ganz ohne Schonzeit.
Du wirst ja ordentlich rumgereicht in den Medien, fühlst Du Dich ein bisschen wie ein Polit-Pop-Star oder nervts langsam?
Es gibt da so ‘ne Politiker Antwort: Weder noch (lacht). Nee, ich bin mediale Aufmerksamkeit gewöhnt. Ich probier’s, professionell abzumanagen und meine Message zu verbreiten. Ich glaube, das ich für die SPD und auch für unser kleines Hessen-Land die richtigen Ideen habe.
Was ist der Unterschied zwischen Dir und der SPD, also außer 9 Prozentpunkten? Du in der SPD, ist das nicht ein Widerspruch?
Nein! Ich habe ja auch für die SPD gewonnen. Auf jedem Plakat und jedem Flyer war das SPD Logo zusehen. Das zeigt doch, dass Leute SPD wählen, wenn sie einen ordentlichen Kandidaten angeboten bekommen. Und ich glaube (denkt kurz nach), ich habe kein Glaubwürdigkeitsproblem. Bisher habe ich immer alles eingehalten, für was ich eingetreten bin. Trotzdem ist das jetzt ein Vertrauensvorschuss für mich, die SPD hat leider in der Vergangenheit viel Vertrauen verspielt. Das muss sie zurückgewinnen und das geht nur mit neuen Ideen und mit neuen Gesichtern. Und so eins bin ich halt.
Es gibt oder gab ja Dein lustiges Tourettikette-Format auf YouTube. Normalerweise leidet man doch unter so was, Du kommst damit offenbar ganz gut klar. War das schon immer so?
Es war nicht immer so! Und immer einfach wars auch nicht, aber ich bin daran gewachsen. Dass ich mich entschieden habe, keine Medikamente mehr zu nehmen und die ganze Sache so zu akzeptieren, war ein Prozess, der mittlerweile abgeschlossen ist. Mein Freundeskreis, der mich treu durch die ganze Schulzeit begleitete, war dabei ein wichtiger Rückhalt. Gerade in den schwierigen Phasen Richtung Pubertät ist es gut, Leute um sich zu haben, auf die man bauen kann. Also, wenn ich jetzt mal schlechte Laune habe, gibt es genug andere Gründe, mal sinds die Lilien (schmunzelt), mal die Partei.
Du hast mal gesagt, Du bist ein Hybrid von Land und Stadt, Bessungen und Roßdorf. Wie kams dazu?
Ich bin im Marienhospital geboren und auf der Mornewegschule eingeschult worden. Dann ist meine Mutter gestorben und ich bin nach Roßdorf gezogen zu meinen Großeltern. Nach der Grundschule dort bin ich direkt wieder nach Bessungen auf die Edith-Stein-Schule. Meine Mittage hab ich im Godot verbracht und die Sommerabende auf der Orangeriewiese. Ich hab trotzdem in Roßdorf Fußball gespielt und bin ans Böllenfalltor zum Schauen. Meine ganzen Freunde kommen von überall aus Darmstadt und dem Umkreis und sie denken alle nicht in Gebietskörperschaften. Klar gibt es Grenzen, aber die Leute interessieren sich dafür, wie man Probleme löst.
Welche Rolle spielt Deine Oma in Deinem Leben?
Eine tragende, ich denke viel von meiner sozialdemokratischen Erdung ist daher gekommen. Der Umgang mit Menschen z.B., der Respekt, dass man Leute auf der Straße grüßt. Heute wird von offener Gesellschaft geredet. bei meiner Oma hieß das Anstand. Und obwohl ich fast 30 bin, will meine Oma immer noch, dass ich Rippchen mit Kraut esse. Esse ich aber nicht. Gut, inzwischen weiß auch meine Oma, was vegan ist, nämlich Miracoli, wenn man die Butter weglässt und dafür Olivenöl nimmt.
Ist es nicht lockerer und großzügiger,bei der Oma aufzuwachsen?
Also, wenn sich das auf das Kerbgeld bezieht, vielleicht (lacht). Aber die Diskussionen, mit welchem Bus ich am Wochenende nach Hause kommen muss, hab ich härter geführt als viele meiner Freunde.
Du bist zwar als Politiker schon ganz schön erfahren, aber bisher war das ja alles eher Hobby. Jetzt wirst Du Profi. Wann hast Du Dich für diesen Weg entschieden?
Es war schon immer so, dass ich aktiv gestalten wollte. Und manchmal ist in der Politik eben das Zeitfenster da. Die SPD brauchte dringend junge neue Gesichter nach der Bundes- tagswahl und ich dachte mir auch, so kann es mit der SPD nicht weiter gehen. Und ich dachte dann, entweder trittst du aus oder du machst es selber. Ein Sozial- demokrat, der nicht einmal im Jahr ans Austreten denkt, der ist eigentlich falsch in der SPD. Aber es selber zu machen war ja dann die richtige Entscheidung.
Am 22. Januar, vier Tage nach der konstituierenden Sitzung des Landtags, kommt Dein erstes Buch raus: „Was machen Politiker eigentlich beruflich?” Wie würdest Du Dir selber diese Frage beantworten?
Das kann ich Dir jetzt noch gar nicht sagen, das werde ich ab dem 18.1. rausfinden. Aber mein Buch ist schon lustig geschrieben und hat Humor, es hat aber auch den nötigen Tiefgang für eine Zielgruppe, die sich sonst vielleicht nicht für ein politisches Sachbuch interessieren würde. Und der Titel ist halt ein bisschen reißerisch, damit man es auch kauft.
Was wär Dir lieber, in der Oppositionsfraktion oder in der Regierungsfraktion zu sein?
Ich glaube, ich bin weder für das eine noch für das andere gewählt, ich bin dafür gewählt worden, meinen Wahlkreis zu vertreten ...
... wird das jetzt so ne Politiker-Antwort?
Jaaa, abwarten, Politiker-Antworten sind manchmal ausweichend und manchmal auch lang, aber kommen dann noch zum Punkt!
Ok, dann warte ich.
Ich will erstmal viel für den Wahlkreis machen, so viel wie es geht. Und dass in der Regierungsverantwortung mehr geht, ist ja ne Binsenweisheit, also da wäre ich lieber.
Schaun wir mal auf 2023. Was hat Bijan Kaffenberger im Landtag bewegt?
Den Glasfaserausbau vorangetrieben.
Und was hat sich bis dahin bei Dir persönlich getan?
Ich hab ne Wohnung im Wahlkreis gefunden (lacht).
Dauert das fünf Jahre?
Also fünf Monate bestimmt.
Wenn Du Dir was wünschen könntest, was morgen schlagartig Realität ist, was wäre das?
Alle Kita- und Krippegebühren sind komplett weg!
Bist Du jetzt eigentlich pleite nach dem Wahlkampf? Wieviele Monate hast Du nix verdient im unbezahlten Urlaub und wieviel noch draufgelegt? Und hattest du zwischendrin mal Schiss, dass das alles schief geht und das Kind in den Brunnen fällt?
Die letzten drei Monate habe ich nix verdient und die Reserven sind aufgebraucht. Aber schlecht geht es mir nicht! Und wenn es nix geworden wäre, wär ich ehrenamtlich geblieben, dann hätt ich eben ein bisschen Geld verbrannt (lacht). Ja, und Schiss hatte ich nach der Bayernwahl, da war für mich eigentlich alles vorbei, da lag das Kind im Brunnen und ist fast ertrunken.
Was verdient man eigentlich als Landtagsabgeordneter?
7.895 Euro, die natürlich zu versteuern sind. Und als Kostenpauschale für mein Büro 601 Euro. Aber die Ausgaben steigen auch heftig, man geht ja davon aus, dass der Landtagsabgeordnete einlädt oder was mitbringt, das berühmte Flachgeschenk für den Geflügelzuchtverein und so.
Gehst Du auch weiterhin zu den Lilien auf die Gegengerade oder hastDu in Zukunft nen Sitzplatz bei den VIPs auf der Haupttribüne?
Ich hab ne Dauerkarte und bleib auf jeden Fall auf der Gegengerade. Aber falls mich mal einer in der Halbzeit auf ein Bier auf der Ehrentribüne einlädt, würd ich mich nicht wehren (lacht).
Könntest Du mir für die Rückrunde ne Dauerkarte besorgen, also weil ja dann die Gegengerade abgerissen ist?
Niemand kann für die Rückrunde eine Dauerkarte organisieren! Noch nicht mal die Bundeskanzlerin (schmunzelt). Aber bevor ich in den S-Block wechsle, geh ich in den A-Block.
Du hast Dich vorm 806qm fotografieren lassen, warum?
Das ist gerade wiedereröffnet worden und ich hatte im alten 603 immer eine geile Zeit.
Und die letzte Frage: Was machst Du an Heiligabend?
Ich bin bei meiner Oma in Roßdorf, ganz klassisch.
Danke für das Gespräch.
bijan_kaffenberger.vita *25. Mai 1989 im Marienhospital in Darmstadt, in Bessungen und in Roßdorf aufgewachsen, 2008 Abitur auf der Edith-Stein-Schule. Studium Wirtschaftswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt, Masterstudium International Economics and Economic Policy, seit 2016 Referent für Breitbandausbau und Digitalisierung im Thüringer Ministerium für Wirtschaft. Seit 2007 Mitglied der SPD, seit 2011 Mitglied der Gemeindevertretung Roßdorf, seit 2016 im Kreistag des Landkreises Darmstadt-Dieburg. Am 28.10.2018 im Wahlkreis 50 direkt gewählt zum Landtagsabgeordneten.