@Christoph Pabst
Im September gab der Brite seinen Einstand mit einem Konzert im Kloster Eberbach. Wir sprachen mit ihm über das Dirigieren, sein Orchester, seine Träume und die Liebe zur Musik.
FRIZZmag: Auch Dirigenten müssen ja ein Instrument beherrschen, welches haben Sie gelernt?
Ben Palmer: Als Junge habe ich Trompete gelernt. Als ich 21 Jahre alt war, hatte ich einen Auftritt mit der Trompete, bei dem ich sehr nervös war und merkte, dass ich viel lieber dirigieren würde. Ich hatte immer viele eigene Ideen und kann diese als Dirigent besser umsetzen.
Was bedeutet Dirigieren für Sie?
„It`s like a drug“. Es ist toll, die Möglichkeit zu haben, sich mit wundervollen Musikern zu verbinden und als Katalysator für die Musik zu wirken. Ich liebe mein Leben, speziell mit diesem neuen Job bei der Philharmonie Merck – das ist ein Traum für mich.
Was zeichnet die Deutsche Philharmonie Merck aus?
Es ist ein wunderbares Orchester. Ich konnte es schon einmal bei einem Gartenkonzert 2016 kennenlernen. Die Zusammenarbeit war etwas ganz Besonderes, wir hatten viel Spaß. Als ich den Anruf von Intendant Stefan Reinhardt erhielt, war ich gerade im Auto in England. Ich habe sofort JA gesagt. Die Musiker des Orchesters sind alle sehr intelligent, freundlich und offen. Und sie wollen, dass sie immer besser werden – das ist keine Selbstverständlichkeit! Ich bin hier sehr glücklich, mein Gefühl ist, ich arbeite mit Freunden.
Wie unterscheidet sich die Arbeit in Deutschland von der in England?
Es ist eine tolle Chance, ein Orchester zu haben, speziell in Deutschland. In England haben wir weniger Geld, oft gibt es nur ein bis zwei Proben für jedes Projekt. Als Stefan Reinhardt damals fragte, ob sieben Proben für das Gartenkonzert ausreichend wären, war ich total geplättet und „I almost crashed the car“. Es ist etwas Besonderes, mehr Zeit zu haben und tiefer in die Stücke zu gehen. Wichtig ist, dass das Orchester in verschiedenen Stilen spielen kann und nicht immer gleich klingt.
Welches Programm ist geplant?
Im Januar gibt es mit Rachmaninow und Korngold sozusagen „Hollywood“ und Romantik pur! Im Frühjahr folgt das beliebte „Magic of Movie“ mit Filmmusik. Im Mai spielen wir Don Juan von Richard Strauss im Staatstheater und das Cellokonzert und die 1. Sinfonie von Edward Elgar.
Sie sind ja ein großer Fan von Joseph Haydn – was gefällt Ihnen an diesem Komponisten?
Wenn ich Haydn höre, bin ich glücklich. Seine Musik ist wie eine Sprache, die ich sehr gut verstehe. Die Musik ist nicht nur schön, sondern auch innovativ und humorvoll, zum Beispiel, wenn die zweiten Violinen die Melodie zu Beginn einer der Sinfonien spielen, während die ersten Violinen schweigen - das wäre im 18. Jahrhundert für ein Publikum urkomisch gewesen.
Ihr Traum?
Alle 107 Haydn-Sinfonien dirigieren, 75 habe ich schon – jede Sinfonie ist ein Wunder.
Was zeichnet Sie aus?
Als Dirigent komme ich aus verschiedenen Richtungen: ich bin Komponist, Trompeten-Spieler, Haydn-Fan und mag Filmmusik. Das spiegelt sich auch in meinem Charakter als Dirigent – als Trompeter weiß ich, wie es sich anfühlt, wenn die Holz-, Blas- und Schlaginstrumente hinten im Orchester sitzen.
Ihre Spezialität ist ja das Dirigieren von Filmmusik zu live eingespielten Filmen …
2013 habe ich meine erste Filmmusik dirigiert, das war zum Cartoon „Der Schneemann“, die Musik ist von Howard Blake. Das war ein echtes Wow-Erlebnis. Dann folgten Casablanca, Psycho, Goldrausch etc.. Im Dezember 2017 habe ich „Kevin allein zu Hause“ mit der Royal Northern Sinfonia eingespielt und 2018 folgt „ET“ mit meinem Orchester in London. Leider ist das Einspielen von Filmen wegen der Rechte unglaublich teuer, aber für das Publikum wunderbar – wie Kino in der Konzerthalle.
Hören Sie privat noch Musik?
Ich höre außerhalb der Proben nicht oft Musik, brauche eher Ruhe. Wenn ich eine Partitur lese, höre ich die Musik in meinem Kopf. Am Anfang aber, wenn es um die Entscheidung geht, ein bestimmtes Stück zu dirigieren, dann informiere ich mich über CDs oder Youtube. Doch wenn ich später die Partitur lese, möchte ich meine eigenen Ideen entwickeln, dann höre ich mir keine anderen Aufnahmen mehr an. Ich liebe Live-Musik, Kammermusik oder Jazz. Es ist wichtig, Live-Musik von anderen Musikern mit verschiedenen Stilen zu hören, um sich inspirieren zu lassen.
Warum gibt es für manche eine Hemmschwelle, in klassische Konzerte zu gehen?
Ich finde das traurig, wenn Leute nicht in klassische Konzerte gehen, weil sie sagen: „Ich kenne mich da nicht aus“. Wir haben aber kein Problem, Kunst, Ballett oder Kinofilme zu beurteilen. Bei der klassischen Musik geht es nicht um eine fachliche Beurteilung, sondern um Gefühle, die die Musik auslöst. Es gibt keine Regeln für das Hören von klassischer Musik, man braucht kein Training. Das Publikum sollte nur „open minded“ sein. Musik ist wie das Leben – sie ist schön, aber auch schwierig, glücklich, aber auch traurig!
vita:
*1982 in Dänemark, aufgewachsen in England, wo er Musik an der Universität Birmingham studierte, gefolgt von einem Studium an der Royal Academy of Music. Im Februar 2017 feierte er sein zehnjähriges Jubiläum als Künstlerischer Leiter der Covent Garden Sinfonia (vormals Orchestra of St Paul‘s), eines der dynamischsten und vielseitigsten Kammerorchester Londons. Auch ist er ein gefragter Gastdirigent, nicht nur in Großbritannien.
Nächstes Konzert:
14. Januar, 16 Uhr: Benefizkonzert zum neuen Jahr im Wiesbadener Kurhaus mit Erich Wolfgang Korngolds Ballettmusik „Der Schneemann“ und Sergei Rachmaninoffs Sinfonie Nr. 2 e-Moll.
13. Januar, 15 Uhr: öffentlichen Generalprobe in der Wagenhalle Griesheim
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