Das Hessische Landesmuseum Darmstadt (HLMD) eröffnet die Reihe »Carte Blanche« mit der Ausstellung »Tomás Saraceno: Songs for the Air«. Es ist der erste Auftritt des argentinischen Künstlers Tomás Saraceno in der Rhein-Main-Region. Der international erfolgreiche Künstler arbeitet interdisziplinär an den Schnittstellen von Kunst, Natur und Wissenschaft. Dafür ist das HLMD als Universalmuseum ein geeigneter Ort. ___STEADY_PAYWALL___ Kurator der Ausstellung ist der Kunsthistoriker Martin Faass, seit 2019 Direktor des HLMD Der ehemalige Direktor der Liebermann-Villa in Berlin musste sich nicht nur mit dem Haus vertraut machen, sondern auch in die Vorbereitungen für das Jubiläumsjahr 2020 einsteigen. Doch dann kam Corona und wirbelte vieles durcheinander. Tomás Saraceno bleibt wie vorgesehen im Plan und ist vom 25. September bis zum 31. Januar 2021 zu sehen. Der Bezug zum Museum wird erst bei näherer Betrachtung deutlich. „Zunächst“, so Faass, „ist da der »Block Beuys«, bereits 1970 von Beuys selbst vor Ort arrangiert“. Mit diesem größten erhaltenen Werkkomplex gilt das HLMD als eine der wichtigsten Plattformen für zeitgenössische Rauminstallationen. Die Idee, regelmäßig aktuelle Performance- und Installationskünstler:innen zu präsentieren, wird mit Saraceno aufgegriffen. „Weiterhin“, ergänzt der Museumsdirektor, „ist das Universalmuseum hervorragende Voraussetzung für den interdisziplinären Ansatz des Künstlers“. Das erklärt auch die regelmäßige Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern vieler Disziplinen. Sein Werk kann als kontinuierliche Auseinandersetzung mit Themen verstanden werden, in denen Kunst, Architektur, Naturwissenschaft, Astrophysik und Ingenieurwissenschaften zusammenfließen. Und nicht zuletzt hat die Ausstellung auch einen aktuellen gesellschaftskritischen Bezug. Die Corona-Krise hat in den Augen von Saraceno gezeigt, dass Katastrophen, die sowohl einem Virus, der Umweltverschmutzung oder einem Krieg geschuldet sein können, gesellschaftliches Zusammenrücken und gemeinschaftliches Handeln erfordern. Das schließt sowohl alle Menschen als auch andere Lebewesen mit ein, also ein allumfassender Kosmos, in dem viele Bestandteile interagieren. Neue Technologien machen bisher unbekannte Verbindungen sichtbar und ermöglichen damit dem Publikum neue Formen der Partizipation. Die eigens für die Ausstellung entwickelte auditive Installation »Particular Matter(s): Songs for the Air« verleiht einzelnen Bestandteilen der Luft eine Stimme – dazu gehören auch Feinstaubpartikel. Mit seinem Blick auf Körper und Kräfte in der Luft richtet der Künstler die Aufmerksamkeit auf die oftmals ortsabhängigen Differenzen der Luftqualität. Unter den weiteren Arbeiten ist auch »How to Entangle the Universe in a Spider/Web?« zu sehen, für die Saraceno einen innovativen und international anerkannten tomographischen Laser mit Wissenschaftler:innen der TU Darmstadt entwickelt hat. Dieser ermöglicht 3D-Scans und die Erstellung digitaler Rekonstruktionen von Spinnennetzen. Dem internationalen Publikum sind Saracenos meist raumfüllende, dreidimensionale Raumkapseln bekannt. Sie sind Symbole für Interaktion und soziale Vernetzung, Themen, die das Schaffen des Künstlers kontinuierlich begleiten. Der Museumsdirektor macht neugierig auf die neue Ausstellung, die erste, die er hier in Darmstadt kuratiert. Es ist ein großer Sprung von der Hauptstadt Berlin in die hessen-darmstädtische Provinz. Doch das Wort »Provinz« lässt Faass nicht gelten. Darmstadt hat viel zu bieten. „Es ist mehr ein Understatement der Darmstädter:innen, ihre Stadt nicht als Ort vielfältiger kultureller Angebote wahrzunehmen und wertzuschätzen.“ Nein, er hat den Wechsel nach Darmstadt nicht bereut, das zeigen seine Faszination und sein Engagement für das Museum. Eine wichtige Herausforderung für ihn ist, das HLMD mit seinen attraktiven Sammlungen überregional besser zu platzieren.
Der Luft eine Stimme verleihen
Neue Ausstellung im Landesmuseum Darmstadt