… setzen die monatlichen Buchempfehlungen aus Darmstadt. Seit 1952 trifft sich regelmäßig eine unabhängige Jury aus Schriftstellern, Journalisten und Literaturkritikern, um aus der Vielzahl der Neuerscheinungen ein Buch besonders hervorzuheben. Mit der Auszeichnung soll diesen Büchern zu einer größeren Verbreitung verholfen werden. Dabei fällt die Wahl nicht unbedingt auf literarische Bestseller, manches Buch wurde durch die Auszeichnung „Buch des Monats“ erst erfolgreich. Aktuell gehören der Jury an: Peter Benz, Kurt Drawert, Oliver Jungen, Hanne F. Juritz, Adrienne Schneider, Julia Schröder, Dr. Tilman Spreckelsen, Dr. Gerhard Stadelmaier, Dr. Hajo Steinert, Beate Tröger und Wolfgang Werth.
Begründung der Jury Der Warschauer Aufstand gegen die deutsche Besatzungsmacht von 1944, der gerade sein 80-jähriges Jubiläum beging, gehört zu den großen kollektiven Traumata des polnischen Volkes und wird von Historiker:innen verschieden beurteilt. Die nachhaltigste Geschichtsschreibung aber leistet die Literatur, weil sie ein Archiv der Gefühle eröffnet und die kalte Faktizität von Zahlen und Daten mit Erinnerung und Leben erfüllt. Nicht weniger als ein solches emotionales Archiv zu den Ereignissen von Warschau während des Aufstands, den die Autorin als Sanitäterin hautnah miterlebt hat, sind die Gedichte von Anna Świrszczyńska – in vorzüglicher Übersetzung von Peter Oliver Loew. Dabei geht es nicht um Heldenverehrung und ein Pathos des Widerstands, sondern um die seelischen Erschütterungen im Leben der Menschen, die sich immer konkret und im Alltäglichen zeigen. Die große Kunst der Gedichte besteht in ihrer Reduktion auf die vermeintlich kleinen Dinge, in denen das Große der Historie sich spiegelt und über die der Literatur-Nobelpreisträger Czeslaw Milosz schrieb: „Sowohl in der polnischen Dichtung als auch in der Weltliteratur nimmt dieser Band einen besonderen Platz ein, als poetische Reportage von einem Ereignis, das zu den großen Tragödien des 20. Jahrhunderts gehört.“ Brennend aktuell und in ihrer präzisen Bildlichkeit unvergesslich.
Kurt Drawert (im Namen der Darmstädter Jury Buch des Monats)