© Klaus Mai
Der Reiz der Glasinstallation des Künstlers Bernd Krimmel lag im wechselnden Einfall des Sonnenlichts, das die farbigen Glaselemente je nach Sonnenstand zum Leuchten brachte. Das war am alten Standort in der Stadtmitte. Inspiriert von der Sonnenuhr im nahegelegenen Prinz-Georg-Garten gestaltete Krimmel 1957 die nach Westen zu den alten Hochschulbauten gerichtete Stirnwand des Studentenwohnheims, das im Rahmen der baulichen Neugestaltung des Areals abgerissen werden musste. Heute finden wir das Kunstwerk an einem neuen Ort, im Hörsaal- und Medienzentrum (HMZ) der TU Darmstadt auf dem Campus Lichtwiese.
Der Auftrag des Architekten Jakob Mengler war klar umrissen. Drei Bedingungen waren einzuhalten: Das Kunstwerk musste die Aufmerksamkeit auf sein Bauwerk lenken, es musste rasch fertig sein und sollte wenig kosten. Als „Kunststück vor dem Kunstwerk“ bezeichnete Krimmel die Auflagen in seiner Rede zur Übergabe der Neuinstallation im HMZ. I
m Atelier des Künstlers lagerten schon länger blaufarbene Glasplatten und rot getönte Glasstäbe aus der aufgegebenen Produktion einer Glashütte und warteten auf ihre Verwendung. Mit Menglers Auftrag war der richtige Zeitpunkt gekommen. Krimmel inszenierte an der Stirnseite des Neubaus aus den Glaselementen die beiden Sonnenuhren Helio I und II. „Aber erst durch das wandernde Sonnenlicht tritt die Zeit als vierte Dimension in das Glasperlenspiel“ beschreibt er die Besonderheit des Werks.
2014 stellte die TU Pläne zur städtebaulichen Neugestaltung des Areals um die Hochschulstraße vor. Das Studentenwohnheim musste weichen. Was nun? Die Initiative des TU-Kanzlers Manfred Efinger führte zur Abnahme der Glasinstallation und zur Umsetzung in das HMZ, eine Herausforderung, die von der Darmstädter Firma Baubetriebe Lattemann mit handwerklichem Können und Präzision ausgeführt wurde.
„Zwei Etappen waren zu bewältigen“, so Reinhard Lattemann, „die Demontage am alten Standort und die exakte Neuinstallation im HMZ“. Die Abnahme des Kunstwerks verlangte Kartierung, Markierung und Nummerierung sowie sorgfältiges Reinigen und Verpacken der Glasteile. Schadhafte Elemente konnten dank noch vorhandenem Vorrat im Atelier des Künstlers passend ersetzt werden. Statische Berechnungen gehörten vor Beginn der Arbeiten am neuen Standort zum Pflichtprogramm. Eine vor der Sichtbetonwand hochgezogene Ytongwand sorgt für die nötige Stabilität. Beide Wände sind mit Ankern kraftschlüssig verbunden. Erste Formen nahm das Kunstwerk zunächst als exakt aufgezeichnetes Muster auf der frisch verputzten Wand an. Es folgte das Ausstemmen der Löcher, um die Elemente einsetzen zu können und zum guten Schluss das Einsetzen und Einputzen. Summa summarum ein aufwendiges Vorhaben, das in fast 50 Arbeitstagen mit zwei bis drei Mitarbeitern der Baufirma bewältigt wurde.
Helio I und II strahlen nun in neuem Glanz am neuen Ort. Einen offensichtlichen Nachteil hat die Umsetzung der Installation vom Außen- in den Innenraum. Das Kunstwerk ist zwar vor Wind und Wetter geschützt, es fehlt aber der natürliche Einfall des Sonnenlichts, der die farbigen Schatten wandern lässt. Vielleicht, so hofft Krimmel, können die Sonnenuhren mithilfe einer Lichtinstallation ihre ursprüngliche Aufgabe wieder übernehmen – mit der Simulation des Sonnenlichts, das auch im Innenraum die kreisenden Farbschatten wieder in Bewegung setzt.