© Christian Hüller.
Gertrud-Eysoldt-Ring
Wandlungsfähig und distanziert kühl zugleich: Sandra Hüller hat ihren Hamlet als einen sehr zurückgezogenen Menschen verstanden.
Der renommierte Gertrud-Eysoldt-Ring für dieses Jahr geht an die Schauspielerin Sandra Hüller. Das gaben die Stadt Bensheim und die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste am gestrigen Montag (16.12.) bekannt. Sandra Hüller erhalte die Auszeichnung für ihre Hauptrolle als Hamlet am Schauspielhaus Bochum. Sie habe Hamlet als sehr zurückgezogenen Menschen verstanden, sagt die Schauspielerin. An die Rolle des Hamlet sei sie mit Neugierde herangetreten, verrät die gebürtige Suhlerin. Sie habe ihn vorher weder gelesen noch gesehen.
Von Anfang an habe sie den dänischen Prinzen als jemanden verstanden, der nicht im Mittelpunkt stehen, der eigentlich nur sterben und vorher noch die Wahrheit herausfinden wolle, wer also seinen Vater umgebracht hat, um an ihm dann den Mord zu rächen. Vor genau zwanzig Jahren hatte die häufig rätselhaft wirkende Rothaarige ihr Bühnenjubiläum in Jena, das nun mit dem wohl wichtigsten Theaterpreis im deutschsprachigen Raum gekrönt wird.
In der Jurybegründung heißt es, Hüllers „leidenschaftliche und entschiedene Auseinandersetzung“ mit der Hamlet-Figur sei auch eine Auseinandersetzung mit der Bühnenkunst als solcher. „Hüller bleibt sie selbst, indem sie den Hamlet spielt, und sie spielt sich selbst, indem sie Hamlet ist.“ Sie folge den Spuren von Shakespeares Stoff, ohne jemals mit dem Staunen darüber aufzuhören, dass es gerade sie ist, die auserwählt wurde, sich mit uns und für uns auf die Suche zu begeben nach dem Komplex von Gewalt, Liebe, Zweifel, Traum und Tod. Ihre Verstrickung in das Drama sei „eine wahrhaftige, keine hergestellte“, und ihre Kunst bestehe genau darin, diese im landläufigen Sinne zu verweigern. Die Jury bildeten die Regisseurin Barbara Frey sowie die Schauspieler Wolfram Koch und Lisa-Katrina Mayer. Besondere Bekanntheit erlangte Sandra Hüller durch ihre Hauptrolle im Kinofilm „Toni Erdmann“. Zuvor war sie im Kino etwa im Film „Requiem“ zu erleben.
Regisseur Johan Simons wollte keinen zynischen Hamlet.
Mit der aktuellen Auszeichnung aber hat die bekannte Aktrice wohl selbst nicht gerechnet, wie Hüller im Mediengespräch verrät. Ein Glücksfall seien jedoch die flachen Hierarchien bei den Arbeitsbedingungen am Schauspiel an der Ruhr. Das Besondere an der langjährigen Zusammenarbeit mit Johan Simons, der nun auch Regie bei der Hamlet-Inszenierung in Bochum geführt hat, sei die freie Atmosphäre, die er kreiert, „das Nicht-Hierarchische und die Offenheit, mit der er den Stoff seziert“, sagt Hüller. „Die Möglichkeiten, die er uns bietet, das Aushalten von heterogenen Ensembles, der Nicht-Versuch, Leute in ein bestimmtes Schema zu pressen oder eben Regietheater zu machen.“ Stattdessen entstünden die Stücke „aus den Spielern heraus. Und das ist ein großes Glück.“
© Edi Szekely
Gertrud-Eysoldt-Ring
Ein Glücksfall bei „Hamlet“ seien, so Hüller, die flachen Hierarchien bei den Arbeitsbedingungen am Bochumer Schauspielhaus, für die Regisseur Simons (Foto) verantwortlich zeichnet.
In Kritiken über Sandra Hüllers Hamlet wird dieser als feinnervig beschrieben. Kühl, distanziert und emotional zugleich. Sie selbst wird im Programmheft mit den Worten zitiert, sie wolle den Zynismus von ihm fernhalten. „Ja, und diese Rache, die ihm aufgetragen wird, ist kein Vergnügen für ihn“, sagt Hüller, im Gegenteil: „Das ist eine Last, die er zu tragen hat und die er auch an den meisten Stellen versucht, also in der Tat selbst, zu vermeiden. Insofern habe ich ihn als sehr zurückgezogenen Menschen verstanden.“
Ringelbands Vermächtnis und Preisverleihung im März.
Der Gertrud-Eysoldt-Ring gilt als einer der bedeutendsten Theaterpreise im deutschsprachigen Raum und wird seit 1986 in Bensheim vergeben. Mit der Vergabe des Ringes, dotiert mit 10 000 Euro, würdigt die Stadt Bensheim eine schauspielerische Leistung an einer deutschsprachigen Bühne. Erste Preisträgerin war Doris Schade, ihr folgten große Darsteller wie Klaus Maria Brandauer, Cornelia Froboess, Corinna Harfouch, Nina Hoss, Ulrich Mühe, Gert Voss und Ulrich Matthes.
Die bekannte, regelmäßig verliehene Auszeichnung geht auf ein Vermächtnis des Journalisten und Theaterkritikers Wilhelm Ringelband zurück, der bis zu seinem Tod an der Hessischen Bergstraße lebte. Der mit 5000 Euro dotierte Kurt-Hübner-Regiepreis, der ebenfalls in Bensheim verliehen wird, geht 2020 an Florian Fischer für seine Inszenierung „Operation Kamen“ am Staatsschauspiel Dresden. Die Preise sollen im März kommenden Jahres im Parktheater verliehen werden.
Die Eysoldt-Ring- sowie die Kurt-Hübner-Preisverleihung sollen im März 2020 über die Bühne des Bensheimer Parktheaters gehen. Der genaue Termin wird an dieser Stelle und über die Tagespresse bekanntgegeben. Infos und Tickets zum Gesamtprogramm der Bensheimer Kultureinrichtung Parktheater sind zudem über das Internet unter www.stadtkultur-bensheim.de abrufbar.