Konzert: Kettcar
KUZ Kulturzentrum Dagobertstraße 20B, 55116 Mainz
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©Andreas Hornoff
Kettcar
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Kettcar
Spätestens seit dem großen Erfolg ihres dritten Albums „Sylt“ im Jahre 2008 gehört die Hamburger Band „Kettcar“ zur Speerspitze der deutschen Indierock-Szene und hat sich hierzulande eine beachtliche Schar sehr treuer Fans erspielt. Sieben Jahre nach ihrem letzten Longplayer „Ich vs. Wir“ melden sich „Kettcar“ mit dem neuen Album „Gute Laune ungerecht verteilt" eindrucksvoll zurück. FRIZZmag hat Bassist und Songschreiber Reimer Bustorff zum Gespräch getroffen.
FRIZZmag: Seit der Veröffentlichung eures letzten Albums „Ich vs. Wir“ sind ganze sieben Jahre vergangen. Warum hat die neue Platte „Gute Laune ungerecht verteilt“ so lange auf sich warten lassen?
Reimer: Wir sind ja insgesamt nicht so eine schnelle, fleißige Band. Die Pandemie war dann ein weiterer Faktor, der vieles ausgebremst hat. Für uns, die wir ja mitten im Prozess stecken und mit Schreiben, Aufnehmen und unserem Label beschäftigt sind, fühlt sich das aber auch immer gar nicht so lange an, wie das von außen wahrgenommen wird.
Mit dem neuen Album habt ihr zum ersten Mal die Spitze der deutschen Albumcharts erreicht. Wie hat sich das angefühlt?
Das war schon toll. Aber wir sehen das ganze Musikbusiness ja auch immer schon auch mit einem kritischen Auge. Deswegen stehen wir auch auf unseren eigenen Beinen und versuchen immer, von vielen Mechanismen unabhängig zu bleiben. Wir haben so einen „DIY“-Gedanken in uns, den wir gerne weitertragen. Aber diese Nummer eins ist natürlich trotzdem etwas Besonderes für uns. Wir arbeiten ja schon auf so einen Punkt hin und koordinieren Promo und Marketing so, dass das ankommt bei den Leuten draußen. Diese Chartposition ist dann natürlich eine schöne Bestätigung unserer Arbeit.
„Gute Laune ungerecht verteilt“ ist inhaltlich keine leichte Kost. Ein Großteil der Songs zeigt politisch sehr klare Kante. Wie erklärst du dir den Erfolg des neuen Albums in Zeiten allgemeiner Politikverdrossenheit?
In den Nullerjahren hatte ich ein Stück weit die Befürchtung, dass sich wirklich niemand mehr so richtig für Politik interessiert. Ich finde aber, dass sich das inzwischen ändert. Es gibt viele, die aktiv gegen Problemthemen angehen. „Fridays for Future“ beispielsweise ist so eine Bewegung, wo sich ganz viele junge Leute zusammentun und für ihre Interessen aufstehen. Das finde ich toll und sehr unterstützenswert. Und auch wenn man nicht unbedingt in allen Punkten einer Meinung ist, finde ich es schon sehr positiv, dass wieder mehr passiert. Hier in Hamburg haben wir aber auch nicht allzu viel auszuhalten. Auch die Ergebnisse der Europawahl waren nicht so beunruhigend. Aber bundesweit gesehen ist die Situation natürlich sehr besorgniserregend und darum ist es wichtig, dass die Leute wieder lauter werden.
Dein Song „München“ handelt von Alltagsrassismus, der nie weg war und sich leider immer weiter ausbreitet. Ihr habt allerdings sehr viel Zuspruch für das Stück erhalten. Was kann Musik, können Texte bei den Leuten bewirken?
Ich kann da nur für mich selbst sprechen. Ich bin in den 80er- und frühen 90er-Jahren mit Punk und Hardcore aufgewachsen und ich wäre heute nicht der, der ich bin, wenn ich diese Musik und die Szene nicht gehabt hätte. Bands wie „Fugazi“, der bereits angesprochene „DIY“-Gedanke oder die Straight-Edge-Bewegung – das war alles sehr wichtig für meine Entwicklung. Insofern glaube ich schon, dass Musik bewegen und Denkmuster verändern kann.
Steht man als Künstler in den heutigen Zeiten mehr in der Verantwortung, sich politisch zu äußern?
Für mich hingen, solange ich denken kann, Musik und Politik immer zusammen.
Dass sich auch Helene Fischer im Rahmen einer Kampagne des „Stern“ klar gegen rechts positioniert hat, haben viele Leute als wichtiges Zeichen empfunden.
Helene Fischer kommt aus einer ganz anderen Welt als ich. Letztlich muss jede:r Künstler:in selbst entscheiden, wozu er/sie wie Stellung bezieht. Aber natürlich habe ich ihre Haltung in dieser Sache sehr begrüßt und denke auch, dass das für ihre Karriere nicht ohne Risiko ist. Ihre Fans sind ja noch mal eine andere Bubble als unsere. Wenn wir mit „Kettcar“ spielen, sind da Leute, die in großen Teilen einer Meinung mit uns sind. Aber ich denke, dieser Zusammenhalt ist auch sehr wichtig, gerade heute.
Ihr spielt auch Konzerte in den östlichen Bundesländern. Ist da ein anderer Vibe im Publikum zu spüren?
Ja, das merkt man schon. Generell spielen wir im Osten vor weniger Leuten. Aber wenn man mit denen nach dem Konzert ins Gespräch kommt, spürt man da eine sehr große Dankbarkeit, dass man dort spielt und ihnen zeigt, dass sie nicht alleine sind. Und dass es sehr viele Menschen im Land gibt, die nicht so denken, wie die Vollidioten in ihrer Nachbarschaft. Und dieser Zusammenhalt bei den Konzerten bedeutet denen eine Menge!
Neben Songs wie „München“ finden sich auf „Gute Laune ungerecht verteilt“ auch Songs über leichtere Themen. Es wirkt ein bisschen so, als sollten Lieder wie „Zurück“ auch den künstlerischen Aspekt eurer Arbeit unterstreichen. Als „politische“ Band scheint ihr nicht unbedingt gesehen werden zu wollen. Stimmt der Eindruck?
„Gesehen werden wollen“ klingt irgendwie komisch, weil wir schon immer eine Band waren, die das gemacht hat, was wir gerade fühlen. Ich bin mit Marcus wegen unserer Texte in stetigem Austausch. Da geht es viel um Privates, aber auch Gesellschaftliches spielt oft mit rein. Das sind die Themen, die uns über die Jahre beschäftigt haben, und die fließen dann in die Songs unserer Platte ein. Das ist bei „Kettcar“ eigentlich immer schon so gewesen. Wir machen uns da keine großen Gedanken drüber. Aber wenn wir jetzt fünf Liebeslieder am Stück hätten, käme sicher schon die Überlegung, vielleicht besser auch noch andere Themen aufzugreifen. Ganz ohne Strategie funktioniert das nicht (lacht).
Gemeinsam mit Sänger Marcus Wiebusch und Thees Uhlmann betreibst du das gemeinsame Label „Grand Hotel Van Cleef“, bei dem auch „Kettcar“ unter Vertrag ist. Einerseits bietet eine solche Konstellation natürlich enorme künstlerische Freiheit, andererseits ist „Kettcar“ ja auch ein finanzielles Zugpferd von „Grand Hotel Van Cleef“. Steckt da nicht auch bei jedem neuen Album ein enormer Druck dahinter?
Klar ist da auch Druck. Das ist ein Apparat, der laufen muss. Wir haben gute Leute, mit denen wir zusammenarbeiten, daher verteilt sich dieser Druck auch auf mehrere Schultern. Und die Eigenständigkeit steht immer im Fokus, deswegen haben wir auch irgendwann einen Verlag gegründet und managen unser Booking selbst. Zudem haben wir einen eigenen Shop und machen auch unser Ticketing selbst. Das baut auf verschiedenen Säulen auf und funktioniert inzwischen sehr gut. Gut, es gibt auch ab und an Nervkram. Wenn man beispielsweise mitten am Schreiben ist oder mit der Band probt und dann der Steuerberater anruft. Aber die Vorteile und Freiheiten, die dieser eigene Apparat bietet, überwiegen bei Weitem die Nachteile. Wir können nicht klagen.
Ich habe auf einer Kettcar-Fanseite folgenden Satz entdeckt: „Wenn die Musik von „Kettcar“ ein Mensch wäre, wünschte ich, es wäre mein großer Bruder.“ Was ist das für ein Gefühl, Menschen so viel zu bedeuten?
Das ist doch schön, da wird einem ganz warm ums Herz. Wir schreiben ja bewusst Texte, mit denen man sich assoziieren und bei denen man mitfühlen kann. Und wir empfinden es immer als ganz großes Kompliment, wenn sich die Leute mit unseren Songs auseinandersetzen und uns wissen lassen, dass unsere Lieder ihnen eine Menge bedeuten. Darüber freuen wir uns sehr!
Ab Mitte Juli geht ihr auf Sommertournee. Was können die Fans erwarten? Viel „Gute Laune ungerecht verteilt“ oder spielt ihr eher ein buntes Set mit allen „Kettcar“-Klassikern aus eurer langen Bandgeschichte?
Letzteres. Wir sind ja selbst fleißige Konzertgänger und wenn ich zu „The Cure“ gehe, will ich auch „Boys don’t cry“ hören. Deswegen haben wir natürlich auch beliebte „Klassiker“ wie „Landungsbrücken raus“ im Set, auch wenn der Vergleich zu „The Cure“ etwas hinkt. Unsere Open-Air-Shows werden ein „Potpourri der guten Laune“ aus unseren früheren Songs und neuen Liedern, die wir ins Programm einstreuen. Das werden auf jeden Fall bunte Abende!
Vielen Dank für das Gespräch.
„Kettcar“ live:
>>Do., 18.7.24, 19 Uhr, Schlossparkbühne, Marburg
>>So., 4.8.24, 19 Uhr, KUZ, Mainz
Weitere Informationen findet ihr hier.
Hier geht es zu den sozialen Netzwerken: www.facebook.com/kettcar, www.instagram.com/kettcarmusik
FRIZZmag verlost 3x2 Tickets für das Konzert von „Kettcar“ im „KUZ“ Mainz!
Bitte sende eine E-Mail mit deinem vollständigen Namen und Kontakt an verlosung@frizzmag.de. Betreff: „Kettcar“
Einsendeschluss: 30.7.2024
Die Gewinnbenachrichtigung erfolgt per E-Mail.
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