An und für sich nichts Ungewöhnliches. Etliche Universitäten haben ihren Hauptsitz in einem Schloss. Das ehemalige Welfenschloss in Hannover ist Zentrum der Leibniz-Universität. Das Mannheimer Schloss, nur eine knappe Zeitspanne Residenz der Pfälzer Kurfürsten, wird überwiegend von der Universität Mannheim genutzt. Auch das Darmstädter Schloss war nur kurz Residenz der hessen-darmstädtischen Landgrafen und wird nun zur dauerhaften Bleibe für das Präsidium und Teile der zentralen Verwaltung der TU Darmstadt. Mit der überwiegenden Nutzung des Ensembles durch Wissenschaft und Kultur spielte das Schloss schon immer eine bedeutende Rolle als »Bürgerschloss«, als Schnittstelle zwischen Stadt und Universität. Großbauprojekte haben es in sich. Vor allem ist eine Grundsanierung historischer Gebäude mit vielen Unwägbarkeiten und Überraschungen verbunden, die eine Fertigstellung hinauszögern können. Das zeigte sich auch am Darmstädter Schloss mit seiner mehr als 600-jährigen Baugeschichte und den baulichen Zeugnissen aller beteiligten Epochen. Seit den 1990er-Jahren zählt das Schloss zu den Liegenschaften der TU Darmstadt. Im Rahmen der Autonomie in Grundstücks- und Bauangelegenheiten ist die Universität seit 2005 auch »Schlossherrin« und damit in jeder Hinsicht verantwortlich für die Immobilie. Diese Zäsur markiert den Beginn der Entwicklung zum neuen Wissenschaftsschloss. Der Startschuss für die Generalsanierung fiel jedoch erst 2013 nach dem kompletten Umzug der Universitäts- und Landesbilbliothek (ULB) in das 2012 fertig gestellte Bibliotheksgebäude in der Magdalenenstraße. Wesentlich früher schon begann bereits ab 2008 die Gründungssanierung. Unbemerkt von der Außenwelt floss zunächst viel Geld in den unterirdischen Bereich. Es galt, das marode Eichenfundament zu stabilisieren, nicht nur eine Folge des abgesackten Grundwasserspiegels, sondern auch der Schäden durch den in Süd-Nord-Richtung verlaufenden Rheingraben, der durch Plattenverschiebungen einzelne Gebäudeteile absacken ließ. Erst als das Schloss nach der Gründungssanierung wieder auf sicheren Füßen stand, konnte mit den eigentlichen Arbeiten am Schloss begonnen werden. Die Fertigstellung musste mehrfach verschoben werden. Verzögerungen lagen nicht nur am Umfang des üppigen Sanierungspakets, sondern auch an der nicht zufriedenstellenden Zusammenarbeit mit dem externen Büro, das mit der Generalplanung beauftragt war. Die TU zog daraus ihre Konsequenzen und änderte die Organisationsstruktur der Generalbauplanung. 2023 – zehn Jahre nach Beginn der Bauarbeiten – ist es endlich so weit. Mitte September wird das Wissenschaftsschloss offiziell seiner Nutzung übergeben. Ein ausgefeiltes Lichtkonzept bringt das Gebäude zur Tages- und Nachtzeit zum Leuchten. Handwerker sind immer noch überall am Werk und werden es auch noch eine Weile bleiben. Wie in einer mittelalterlichen Dombauhütte brauchen solche historischen Gebäude und ihr Umfeld ständige Pflege und Zuwendung. Einiges kann schon seit einiger Zeit wieder genutzt werden und demonstrierte sukzessive den Baufortschritt, vor allem auch zur Freude der Darmstädter Bevölkerung. Seit 2017 ist der Ostbereich des Schlossgrabens als öffentliche Grünanlage zugänglich. Der von der TU nach alten Pflanzvorlagen umgestaltete Graben lädt als Oase der Ruhe im Grünen mitten in der Stadt zum Verweilen ein. Im Herrenbau hat das Deutsche Polen-Institut schon seit 2016 sein Domizil. Ebenfalls seit 2016 ist das Schlossmuseum mit neuem Konzept und frischen Ideen wieder eröffnet. Der AStA Schlossgarten als charmante Sommergastronomie zieht bereits seit 2010 Studierende und die Darmstädter Bevölkerung gleichermaßen auf die Bastion. Der Schlosskeller zieht dann in der kühleren Jahreszeit mit einem vielfältigen Programm das Publikum in die sanierten Innenräume. Ebenso lädt der traditionsreiche Keller-Klub, dessen weitere Existenz lange Zeit auf der Kippe stand, zum Besuch in das aufwendig restaurierte Gewölbe ein. Seit den 1950er-Jahren ist der Keller-Klub fester Bestandteil der Darmstädter Kulturlandschaft. Mit Konzerten eröffnete die TU 2022 feierlich den Orgelsaal im Schloss. Erstmals erklang dort die mit Spendengeldern installierte und restaurierte Goll-Orgel. Der Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften (FB2) – kehrt zurück an seinen traditionellen Standort im Schloss. Mit der umfangreichen Bibliothek des Fachbereichs verwaltet die ULB dort den dritten Bibliotheksstandort. Ab dem Eröffnungstag ist dann auch der lang herbeigesehnte ungehinderte Durchgang vom Marktplatz durch die Schlosshöfe zum Karolinenplatz wieder möglich – wie früher.
Die TU Darmstadt lädt am 16. September herzlich zur feierlichen Wiedereröffnung ihres Wissenschaftsschlosses im Herzen der Stadt ein. Von 14 bis 21:30 Uhr erwartet Sie ein umfangreiches Programm. www.tu-darmstadt.de/wissenschaftsschloss Die Seite wird bis zur Schlosseröffnung am 16. September fortlaufend aktualisiert.