© Klaus Mai
Uli Franke
Am 19. März 2017 wählen die Darmstädterinnen und Darmstädter ihren Oberbürgermeister. FRIZZmag stellt die Kandidaten im Interview vor, diesmal Uli Franke, DIE LINKE. Die Fragen stellte Thea Nivea.
FRIZZ: Hallo Herr Franke. Sie heißen ja nicht nur Franke, Sie sind es doch auch, oder?
Uli Franke: Ich bin insofern Franke, als ich im Frankenland geboren bin, aber mein Vater hat dann einen Job gefunden in Ludwigshafen. In Fußgönheim bin ich dann aufgewachsen.
Können wir uns eigentlich duzen? Ich meine, wo ich doch bei der letzten Bundestagswahl überlegt habe, DIE LINKE zu wählen. Und heißt Du eigentlich richtig Uli?
Ich heiße Ulrich. Ich hab das extra geklärt mit dem Wahlamt, dass es auch möglich ist, auf dem Wahlzettel mit Uli aufzutauchen, weil mich alle so kennen.
Wo in aller Welt ist Fußgönheim?
Das ist genau zwischen Bad Dürkheim und Ludwigshafen am Rhein.
Und da bist du schon kurz nach Deiner Geburt hingekommen?
Meine Eltern haben mich zu einem ungünstigen Zeitpunkt bekommen, als mein Vater noch keinen festen Job hatte. Wenn mans genau nimmt, bin ich schon fast Ur-Darmstädter. Weil meine Großeltern hier gelebt haben, sind meine Eltern mit mir kurz erst mal nach Darmstadt gekommen und haben in der Landskronstraße gelebt, ungefähr 800 Meter weg von meiner jetzigen Wohnung. Da war ich ein halbes Jahr alt. Dann mit einem Jahr nach LU-Pfingstweide. Und als dann ein bisschen Geld zusammengekommen war, haben meine Eltern in Fußgönheim gebaut.
Wie weit ist das weg von Oggersheim? Ich frage, weil man Oggersheim ja kennt …
Oggersheim lag auf meinem Schulweg. Ich bin auch als Jugendlicher schon Fahrrad gefahren, 13 km von Fußgönheim zu meiner Schule nach LU. Und da kam ich fast direkt an der bewachten Villa vom Kohl vorbei. Und wenn mir danach war, bin ich auch mal durch den Marbacher Weg gefahren.
Im Echo stand, Du meinst, die PartschHegemonie wäre schwer am Bröckeln. Ich hatte mal ne Freundin, Monika hieß die, die arbeitete im Vivarium im Kleintiergehege, die ham wir HegeMoni genannt. Das meinst Du aber nicht?
Nein (lacht), Hegemonie heißt wörtlich übersetzt Vorherrschaft. Partsch hatte ja ein sehr gutes Wahlergebnis, die allermeisten Leute fanden ihn gut oder zumindest akzeptabel. Inzwischen haben mich viele Leute angesprochen, dass sie enttäuscht sind von ihm als OB, andere schimpfen explizit über die grün-schwarze Politik.
Also, irgendwie ist ja klar, dass Du keine Chance hast, OB zu werden. Musst Du kandidieren, weil Du sowieso schon hauptamtlich Politschmerzensgeld kriegst, oder willst Du aus freien Stücken?
Durchaus aus freien Stücken. Es ist wichtig zu zeigen, dass man präsent ist als Partei. Wichtiger noch ist aber, dass diejenigen, die unzufrieden sind, die Möglichkeit haben, das zu äußern und dass sie dazu nicht die FDP oder gar die AfD wählen müssen, sondern dass sie sagen können: Mir wird zu wenig getan für bezahlbaren Wohnraum, mir stinkt die Radwegesituation, ich möchte nicht, dass vom Bauverein Millionen an Gewinnen abgezogen werden. Und deswegen wähle ich links. Aber, in der Tat würde ich nicht dementieren, dass es unwahrscheinlich ist, dass ich nach dem 19. März Oberbürgermeister bin. Aber vielleicht reicht es ja für die Stichwahl, das wäre ein großer Erfolg.
Erkläre mal bitte vier wählergruppenrepräsentanten Menschen, warum sie Dich wählen sollen: mir, meiner grünen Mutter, meinem Vater, einem frustrierten Sozi, und meiner Oma, die glaubt nicht mehr an Politik.
Ich fang mal mit Deiner Mutter an: Für die Grünen ist die Verkehrswende, also z.B. der Umstieg auf den Radverkehr, ein wichtiges Thema. Und was da in Darmstadt gelaufen ist in den letzten fünf Jahren, ist schon ziemlich schwach, das ist keine Kohärenz zu erkennen. Zum Vater: Auch wenn die Umverteilung hauptsächlich im Bund erfolgen muss, gibt es in der Kommunalpolitik schon einige Stellschrauben. Die allerkleinste wäre die Einführung eines Sozialtickets, wo Hartz IV- oder Wohngeldempfänger zum halben Preis mit Bus und Bahnen fahren können. In anderen Kommunen gibt es das, Darmstadt sträubt sich schon seit langem gegen diese Forderung der LINKEN, es wird also langsam Zeit, an der Urne ein Zeichen zu setzen. Deiner Oma würde ich sagen, dass es nicht nur darum geht, gleich alles zu verändern, sondern dass es auch eine wichtige Funktion ist, die Dinge nicht schön zu reden, sondern zu sagen wie es ist. Zu Dir: Mit Anfang zwanzig ist man vielleicht dabei, sich in Darmstadt eine Wohnung zu suchen. Ich frage mich dabei, ob es Sinn macht, sich über das Wachstum der Stadt derart zu begeistern. Ich biete keine fertige Lösung für dieses Problem an, aber ich möchte darüber reden, wo all die Leute wohnen sollen und wie sich die Verdichtung auf das Mikroklima der Stadt auswirkt. Wer sich mit dieser Frage auseinandersetzen will, sollte mich wählen.
Du lebst seit 25 Jahren in Bessungen. Findest Du Bessungen gut? Und ist das Martinsviertel nicht irgendwie cooler und bunter?
Ja, ich habe anfangs auch im Martinviertel gelebt. Dann hatten wir aber eine grandiose WG in Bessungen in einer Wohnung, so günstig, wie man es sich gar nicht mehr vorstellen kann. Und dann sind die Wohnungen eigentlich immer auf mich zugekommen, sie wurden mir angeboten. So bin ich auch zu meiner jetzigen Wohnung gekommen, die ich sogar kaufen konnte. Und ich finde, dass auch Bessungen ein sehr schöner Stadtteil ist. Und man braucht ja gerade mal zehn Minuten, um ins Martinviertel fahren. Ich bin oft im Hoffart-Theater und auch mal gern im Pillhuhn.
Interessierst Du Dich für Fußball? Und was hältst Du von dem ganzen Lilienhype?
Ich bin seit 15 Jahren regelmäßiger Stadiongänger, hab also auch die Tiefen schon durchgemacht, hab seit einigen Jahren auch ne Dauerkarte …
Wo? Welcher Block?
Gegengerade. Das liebe ich auch, selbst, wenn man mal im Regen stehen muss, ich mag das Ambiente. Und wenn man dann auch noch einen Sieg feiern kann …
Was sind Deine politischen Ideale?
Solidarität der Menschen statt Konkurrenzkampf um die Ressourcen, das ist mein grundlegendes Leitmotiv. Ich habe ein T-Shirt, da steht drauf: Die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen oben und unten. Wenn ich das trage, bekomme ich viele positive Rückmeldungen.
„Die vorrangige Funktion einer Regierung ist es, die Minderheit der Reichen vor der Mehrheit der Armen zu schützen.“ Wer, glaubst Du, hat diesen Satz gesagt und was hältst Du davon?
Also, beschreibend ist das ja richtig, normativ aber völlig falsch. Normativ streben DIE LINKE und auch ich das Gegenteil an. Wer den Satz gesagt hat, weiß ich nicht, ich könnte nur raten. Vielleicht Bertolt Brecht?
Das Zitat stammt vom 4. US-Präsidenten James Madison (1809-17).
Das ist ja irre.
Das Zitat hab ich übrigens bei Oskar Lafontaine abgekupfert. Was hältst Du von dem?
Er hat gute Seiten, aber auch problematische Seiten. Ich bin zwiegespalten, aber ich hätte nichts dagegen, wenn er in der Politik noch aktiver wäre. In der Flüchtlingsfrage finde ich ihn ziemlich schwach.
Bist Du eigentlich schon immer bei der Linkspartei gewesen oder auch son emigrierter Sozi?
Ich bin zum ersten Mal in eine Partei eingetreten, als DIE LINKE sich gegründet hat, und war vorher außerparlamentarisch aktiv. Politisiert worden bin ich im THAStA, hab dann einige Jahre als politischer Freelancer einiges mitgemacht. Ich war schon immer gut vernetzt, in die DIE LINKE hab ich dann erst mal reingeschnuppert und dann gemerkt, dass ich mich mit meiner Art gut einbringen kann, und seitdem bin ich ein Aktivposten in unserem Kreisverband.
Findest Du Sahra Wagenknecht erotisch? Kannst Du ja ganz offen sagen, wo Du nicht verheiratet bist.
Sie hat, das kann ich sagen, schon eine faszinierende Ausstrahlung. Leute, die mit ihr zusammenarbeiten, haben mir gesagt, dass sie sich die Unnahbarkeit als Schutz in der Öffentlichkeit aufgebaut hat, sie wäre persönlich viel herzlicher und ganz anders, als sie auf den ersten Blick rüber kommt.
Du hast Dich mit dem Heiner vor der Krone fotografieren lassen. Warum?
Ich gehe immer noch drei bis viermal pro Jahr in die Krone. Aber der Grund ist die Heinerfigur, weil er den Menschen auf der Straße repräsentiert. Ich will damit ausdrücken, dass ich den normalen Menschen auf der Straße ansprechen und vertreten möchte.
Was war das Blödeste, was Du jemals politisch gemacht hast?
Ich hab schon ein paar blöde Sachen gemacht, aber das Blödeste? (denkt nach) Ja, doch, ich habe, als ich das erste Mal wählen durfte, Helmut Kohl, also die CDU gewählt. Ich komme aus einer Familie, wo man eher CDU gewählt hat, und da die Politisierung damals erst ganz langsam angefangen hat …
Waren das vielleicht noch die Nachwirkungen des Vorbeifahrens an der Kohl-Villa?
Ich weiß es nicht (lacht). Also wenn, dann war es unterbewusst.
Und das Beste?
Politisch, dass ich mich entschieden habe, diese Rolle auszufüllen, die ich jetzt bei uns im Kreisverband habe. Es liegt mir, eine politische Gruppe zu integrieren und gleichzeitig in den stadtpolitischen Netzwerken zu sein. Das kann ich bei den Darmstädter LINKEN gut verbinden.
Und privat?
Der Erwerb meiner Wohnung, das gibt mir bei meinem prekären Job doch ein gewisse Sicherheit.
Du besuchst oft Musikkonzerte. Eher Klassik? Oder CS? Oder was?
Nee, ich gehe z.B. gern in die Gute Stube, Singer-Songwriter-Sachen mag ich. Ich gehe sogar manchmal noch in die Oetinger Villa, hin und wieder in den Schlosskeller zu Bands aus meiner Studierendenzeit, Centralstation in letzter Zeit weniger. Ich besuche aber auch mal was im Staatstheater, zuletzt gerade das Musical Evita.
Und jetzt bitte noch einen Satz beenden: Im Gegensatz zu 2016 wird 2017 …
… ein richtig anstrengendes Jahr.
Okay, gut, fertig. Danke.
VITA ULI FRANKE
*5. Oktober 1968 in Erlangen, verbrachte seine Jugend in Fußgönheim bei Ludwigshafen/Rhein.
1988 legte er in Ludwigshafen sein Abitur ab. Danach studierte er an der TH Darmstadt Physik, später Mechanik. Nach dem Studienabschluss arbeitete er als Software-Entwickler u.a. beim Hessischen Rundfunk, seit 2008 ist er regionaler Mitarbeiter der hessischen Linksfraktion. Franke ist Vorsitzender des Darmstädter Kreisverbands der LINKEN und unterstützt seit vielen Jahren die Arbeit der Stadtverordnetenfraktion. Er wirkt in Bündnissen wie „Stoppt TTIP & Co“ oder „Demokratie statt Überwachung“ mit. In seiner Freizeit besucht Franke gerne Musikkonzerte und Theateraufführungen. Im Urlaub fährt er Langstreckentouren mit dem Mountainbike oder wandert im Hochgebirge.
Uli Franke ist unverheiratet und wohnt seit vielen Jahren in Bessungen.
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