© Klaus Mai
Björn Müller
Nach der eher bescheidenen Hinrunde keimte mit der Verpflichtung von Torsten Frings als Cheftrainer neue Hoffnung am Böllenfalltor auf. Nach Darmstadt mitgebracht hat der ehemalige Nationalspieler Co-Trainer Björn Müller, der nach erfolgreicher Arbeit beim DFB, unter anderem mit der U19-Nationalmannschaft, nun beim SV Darmstadt 98 sein Debüt als Bundesliga-Trainer gibt. FRIZZ Redakteur Benjamin Metz traf den engagierten Fußball-Lehrer zum Gespräch
FRIZZ: Nach der desaströsen 6:1 Niederlage gegen den 1. FC Köln hätte man sicher mit allem gerechnet, aber nicht mit einem Sieg gegen Borussia Dortmund. Was hat den Ausschlag für diese spielerische Kehrtwende gegeben?
Björn Müller: Die Spieler haben einfach komplett angenommen, was gegen den BVB zu erwarten war. Sie haben ja bereits bei der Partie gegen Frankfurt gute Phasen gehabt, und auch beim Spiel gegen Köln hatte die Mannschaft immerhin eine halbe Stunde richtig gut gespielt. Wir analysieren jede Woche viel, und die Spieler nehmen das sehr gut an. Im Spiel gegen Dortmund hat zudem alles gepasst: Die Jungs haben voller Selbstvertrauen gespielt, was sicher ein wichtiger Schlüssel war, und sie haben das Ganze auch taktisch super gelöst. Da gab’s bei der Videoanalyse im Nachgang nicht viel zu meckern bei uns (grinst).
Mit der Verpflichtung des einstigen Bundesliga Stars Hamit Altintop ist den Lilien ein ziemlicher Coup geglückt. Wie kam es zu seiner Verpflichtung?
Das Transfergeschäft ist ja ziemlich turbulent im Fußball, da gehen manche Dinge oft ganz schnell. Das sind mitunter echte Nacht- und Nebel-Aktionen. Natürlich verfügt Torsten Frings über ein sehr großes Netzwerk und so kam der Kontakt dann zustande. Hamit musste gar nicht groß überredet werden - der hat nachts die Koffer gepackt, war morgens im Flieger, um dann hier in Darmstadt die Gespräche zu führen, und ist dann gar nicht mehr zurückgeflogen, sondern hat gleich am ersten Training teilgenommen. Er musste sich sogar Schuhe ausleihen, weil er gar nicht dachte, dass das alles so schnell geht (lacht). Er ist einfach heiß darauf, nochmal in der Bundesliga mitzumischen. Das passt alles.
Altintop hat sich sehr schnell spielerisch in die Mannschaft eingefügt. Wie sieht’s menschlich aus? Was gibt Hamit der Mannschaft?
Natürlich weiß jeder von uns um die Stationen seiner Karriere. Er hat in absoluten Spitzenvereinen gespielt und verfügt durch seine vielen Spiele mit der türkischen Nationalmannschaft auch international über große Erfahrung. Das ist den Mitspielern hier natürlich bewusst. Aber Hamit hat auch das Darmstadt-Feeling voll angenommen. Dass er vorher bei Vereinen bei Real Madrid oder Bayern München gespielt hat – da merkt man in dieser Beziehung nichts von. Er bringt sich als Führungsspieler voll ein, ohne dass er den anderen Spielern auf den Geist geht oder neunmalklug daherkommt. Ganz im Gegenteil: Er horcht in unsere Truppe rein und merkt aufgrund seiner Erfahrung schnell, wo er Verantwortung übernehmen kann und muss.
Es gab ja noch einige Bewegungen im Kader, neben Altintop wurden noch Wilson Kamavuaka und Patrick Banggaard verpflichtet. Zuletzt wurde Stürmer Roman Bezjak an den kroatischen Erstligaclub HNK Rijeka ausgeliehen. Steht damit die Mannschaft endgültig?
Das Transferfenster ist ja jetzt ohnehin geschlossen. Wir haben volles Vertrauen in unseren Kader und brauchen jeden Spieler. Daher haben wir zuletzt auch unter der Woche ein Testspiel bestritten, damit die Spieler, die etwas hinten dran sind, Spielpraxis bekommen. Wir möchten, dass die Spieler möglichst oft zum Zuge kommen, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Damit sie, wenn wir sie brauchen, auch ausreichend Wettkampfpraxis haben.
Du warst vor Deinem Wechsel zum SV Darmstadt unter anderem als Assistenz-Coach der U19-Nationalmannschaft für den DFB tätig. Darmstadt ist Dein Trainerstart in der Bundesliga. Worin unterscheidet sich Deine Arbeit für den SVD von Deinem Trainerjob beim DFB?
Der größte Unterschied ist zunächst, dass du mit einer Auswahlmannschaft nicht tagtäglich trainierst, sondern mit ihr nur zu bestimmten Anlässen, wie Qualifikationsspielen oder ähnlichem arbeitest. Das sind dann immer sehr geballte Zeiten von vielleicht 10-12 Tagen Trainingslager, die sehr vollgepackt sind. Und die Spieler sind natürlich deutschlandweit verteilt und kommen aus unterschiedlichen Vereinen – müssen aber entsprechend auf eine Spiel-Philosophie eingestellt werden. Außerhalb dieser Phasen ist man als Trainer viel unterwegs und macht Spieler-Sichtungen, etc. Im Vereinsfußball bist du dagegen täglich mit der Mannschaft zusammen und kannst mit ihr und an ihrer Spielweise arbeiten. Es ist halt ein Tages- und Wochengeschäft. Der Sieg von letzter Woche zählt nichts mehr, denn der nächste Gegner steht schon vor der Tür.
Warum hast Du Darmstadt als erste Station in der Bundesliga gewählt? Ist der SVD ein gutes Feld, um Dinge in Ruhe auszuprobieren?
Man muss zunächst einmal sagen, dass das Ganze ja kein Wunschkonzert ist. Die freien Plätze sind in der Bundesliga rar gesät. Aber ich habe hier in Darmstadt mit Torsten als Cheftrainer und dem verhältnismäßig kleinen Trainerteam sehr gute Voraussetzungen gefunden, um selbst viel am Geschehen auf dem Platz beitragen zu können. Man ist hier kein kleines Rädchen in einem Riesenteam, sondern man hat das Gefühl, ein großer Teil des Ganzen sein zu dürfen. Und das macht sehr viel Spaß!
Du hast auch lange Zeit als Trainerausbilder gearbeitet, zuerst beim Hamburger Fußballverband, später dann an der Hennes-Weisweiler-Akademie, wo Du auch Torsten Frings kennengelernt hast. Wie macht sich denn Herr Frings bei seinem Debüt als Cheftrainer?
(lacht). Böse Frage! Ich möchte hier gleich mal vorausschicken, dass die Leute, die an der Akademie eine Ausbildung zum Fußballlehrer beginnen, bereits über enorme Erfahrung verfügen. Das sind ja keine Schüler im klassischen Sinne. Denn man muss ja, um die Ausbildung als Fußballlehrer beginnen zu können, bereits vorherige Lizenzen erworben und mehrere Jahre auf einem gewissen Level trainiert haben. Von daher sitzt bei einem solchen Lehrgang eine Gruppe bereits sehr erfahrener Trainer zusammen, mit denen diskutiert wird und die Erfahrung aus den ganzen unterschiedlichen Bereichen gesammelt werden. Es sind ganz unterschiedliche Leute mit verschiedenen Vorerfahrungen dabei: Profi-Trainer, Amateur-Trainer, Jugend-Trainer. Diese gemischte Gruppe ergibt dann ein Gesamtbild des deutschen Fußballs. Das ist immer sehr interessant. Und Torsten war das natürlich jemand, der über den Spitzenbereich berichten konnte und da auch total offen war und in den Diskussionen seine Erfahrungen sehr gut eingebracht hat. Was Torsten über seine gesamte Karriere stets ausgezeichnet hat, ist seine Authentizität. Und wenn du authentisch bist, erreichst du die Spieler. Man muss die Mannschaft erreichen und das gelingt Torsten sehr gut! Hinzu kommt, dass er ein sehr gutes Auge hat, für die Dinge, die auf dem Platz passieren. Er hatte als Spieler eben auch fantastische Trainer und kann seine Erfahrungen aus diesen Zeiten mit dem abgleichen, was er aus der Trainerausbildung mitgenommen hat.
Wie würdest Du Eure Zusammenarbeit beschreiben? Das dürfte ziemlich auf Augenhöhe laufen, oder?
Zum Trainerteam gehören ja neben Torsten und mir noch Torwarttrainer Dimo Wache und Kai Schmitz, der die Athletik sowie mit mir auch die Spielanalyse abdeckt. Wir vier stecken jeden Tag die Köpfe zusammen, analysieren und beraten uns. Torsten nimmt uns da alle mit. Natürlich ist er Cheftrainer und immer das Gesicht des Ganzen und derjenige, der die Entscheidungen letztlich trifft, aber wir drei fühlen uns da sehr gewertschätzt. Das macht die Arbeit umso wertvoller und auch einfacher.
In Darmstadt ticken die Uhren anders, der Verein hat seine Andersartigkeit ja mittlerweile sogar in seinen Claim aufgenommen. Wie erlebst du persönlich den SVD? Was zeichnet den Verein, mal abgesehen vom oft zitierten alten Stadion?
Es ist ein sehr familiärer Verein. Er ist verhältnismäßig klein aufgestellt, man kennt die handelnden Personen sehr schnell. Das macht den Verein aus, und diese Struktur vereinfacht auch einiges und sorgt für einen sehr starken Zusammenhalt. Man könnte sagen: Wenige Leute machen sehr viel, um gemeinsam ein großes Ziel zu erreichen. Und man spürt hier einfach, dass jeder total Bock darauf hat – von den Mitarbeitern im Fanshop über die Fanbetreuung bis zum Trainerteam und dem Präsidium. Und das ist gefühlt auch alles auf Augenhöhe. Und die Fans sind hier etwas ganz Besonderes. Ich weiß noch, wie hier beim Abschlusstraining vor dem Frankfurt-Spiel 3000 Zuschauer kamen - und das nach einer Klatsche wie der gegen Köln. Da standen wir echt mit offenen Mündern da. Da muss man nicht viel zu sagen. Das ist wirklich anders und macht das besondere Flair hier aus.
In einem Interview meintest Du unlängst, dass immer noch ein Fünkchen Wahrscheinlichkeit besteht, den Klassenerhalt zu schaffen. Wie siehst Du die aktuelle Situation? Wird aus dem Fünkchen doch noch ein Feuer? Die Mannschaft scheint zu brennen.
Ja, definitiv! Aber wir schauen gar nicht so sehr jeden Tag auf die Tabelle und gehen Punktespiele durch, sondern sehen hier eine starke Entwicklung bei der Mannschaft, die wir im Fokus haben und Woche für Woche hinterfragen und vorantreiben möchten. Das Spiel gegen Dortmund darf keine Eintagsfliege sein. Wir sehen das aber auch realistisch – jeder Bundesliga-Tag ist ein Feiertag, wir müssen auch andere Szenarien im Hinterkopf haben. Aber momentan konzentriert sich alles auf die 1. Liga und wir geben alles, damit das auch weiterhin so bleibt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Weitere Infos: